Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Schuldfrage bei einem Verkehrsunfall zwischen einem anfahrenden Gelenkbus und einem spurwechselnden Pkw

 

Normenkette

StVO § 7

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 01.02.2010; Aktenzeichen 19 O 4727/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 12.5.2010 gegen das Endurteil des LG München I vom 1.2.2010 (Az. 19 O 4727/09) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

 

Entscheidungsgründe

B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Das LG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 17.4.2008 auf der Baubergerstraße in München verneint.

Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass der Kläger versucht hat, vor dem fahrenden Bus den Fahrstreifen zu wechseln und er deshalb den Pflichten des § 7 V StVO genügen musste. Dabei hatte er die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen. Steht wie hier die Kollision in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Spurwechsel, so spricht der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Spurwechsler gelten (vgl. OLG Bremen VersR 1997, 253; KG, NZV 2004, 28). Da der Kläger diesen Anschein nicht widerlegt hat, ist wegen der hohen Sorgfaltsanforderungen des § 7 V StVO von der vollen Haftung des Klägers auszugehen (vgl. OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 1998, 21), weshalb die Klage zu Recht abgewiesen wurde. Eine etwaige Haftung der Beklagten zu 1) aus Betriebsgefahr tritt hinter dem grob fahrlässigen Verkehrsverstoß des Klägers zurück.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich die Vorschrift des § 7 V StVO den vom Straßenrand Anfahrenden nicht schützt, da insoweit die Vorschrift des § 10 StVO vorgeht (vgl. KG, NZV 2006, 369, 370). Auch hatte der Beklagte zu 2) § 10 StVO prinzipiell zu beachten, da er in den Genuss der Erleichterungen des § 20 V StVO nur dann gekommen wäre, wenn er das Anfahren durch Betätigen des linken Fahrtrichtungsanzeigers angezeigt hätte. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden, da der Kläger ein Blinken des Busses verneint hat und die Beklagten das nicht bestritten haben.

Hier liegt jedoch insoweit ein besonderer Fall vor:

Nach der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) an der Haltestelle etwa mittig angehalten hat, wie er selbst auf Frage zur Überzeugung des Senats angegeben hat. Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten (anlässlich der Anhörung des Beklagten zu 2) noch) beigepflichtet, dass das bei einem MVG-Bus der Normalfall sein dürfte. Da die Sachverständige, deren überragende Fachkunde dem Senat auf Grund einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist, mithilfe der von den Beklagten erstmalig in zweiter Instanz vorgelegten Lichtbildern ermitteln konnte, wo sich die Kollisionsstelle der Fahrzeuge befindet - insoweit hat der Kläger auch keine Einwände erhoben - ergab sich aus der nun feststehenden Halteposition sowie Kollisionsstelle eine vom Bus zurückgelegte Wegdifferenz von 9 bis 10 Metern. Diese Strecke lässt sich zwanglos in Übereinstimmung bringen mit der von der Sachverständigen erläuterten Strecke von 1,5 bis 8 Metern, die der Bus je nach Beschleunigung braucht, um die Kollisionsgeschwindigkeit, die im Bereich von 5 bis 10 km/h lag, erreichen zu können.

Der Kläger hat in der Berufungsbegründung angegeben, er sei vorher (in der Annäherung) unter 50 km/h gefahren und am Bus vorbei vorsichtig sehr langsam auf die rechte Spur geschwenkt. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger seinen Pflichten aus § 20 I StVO genügen wollte. Auf Frage des Senats hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten in der letzten mündlichen Verhandlung vorgetragen, er habe im Heranfahren verzögert durch Gaswegnehmen. Der Bus seinerseits hat allenfalls eine Geschwindigkeit von 10 km/h erreicht, da dies die maximale Kollisionsgeschwindigkeit des Busses nach Angaben der Sachverständigen war und der Beklagte zu 2) auf Frage unwidersprochen und glaubhaft erklärte, er habe vor der Kollision nicht gebremst. Bei Beachtung der vorstehenden Parameter ergab sich nun aus den überzeugenden Erläuterungen der Sachverständigen, dass der Kläger bereits vor seinem Entschluss, den Fahrstreifen zu wechseln, für den er etwa 5 Sekunden benötigte, erkennen hat können, dass der Bus von der Haltestelle wieder losgefahren war. Dabei ist maßgeblich, dass es sich bei dem Linienbus der Beklagten zu 1) um einen 18 Meter langen Gliederbus gehandelt hat und nach den Angaben der Sachverständigen anhand der dahinterliegenden Häuser und Geschäfte eine Anfahrt des Busses unschwer zu erkennen war.

Weiter ist zu beachten, dass an der Unfallstelle 2 Fahrspuren in einer Richtung angelegt waren. Di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge