Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, welche Ausbildung und praktische Erfahrung ein Tierarzt als Assistent haben muss, um eine Follikelkontrolle bei einem hochwertigen Rennpferd durchführen zu dürfen.

2. Zu den Fragen von Dokumentationspflicht und Pflicht zu Nachuntersuchungen bei Vorliegen eines Schleimhautrisses nach einer Follikelkontrolle bei einem Rennpferd.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 276

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 14 O 7970/97)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 06.05.2004; Aktenzeichen III ZR 297/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München II, 14. Zivilkammer, vom 20.10.2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 28.700 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin kann die Sicherheit durch eine Prozessbürgschaft der BHF-Bank, der Beklagte kann die Sicherheit durch eine Prozessbürgschaft der R.-Bank St. leisten.

IV. Der Wert der Beschwer der Klägerin im Berufungsverfahren übersteigt 60.000 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen des durch angeblich fehlerhafte tierärztliche Behandlung verursachten Todes der Vollblutstute „Life's Luck”.

I. Die Klägerin betreibt ein bedeutendes Gestüt für Rennpferde. Der Beklagte ist Tierarzt. Er behandelte regelmäßig Tiere der Klägerin.

Am 14.2.1996 kam gegen 8.00 Uhr der Zeuge Dr. B., der seit August 1994 als Mitarbeiter in der tierärztlichen Klinik des Beklagten tätig war, zum Gestüt der Klägerin, um Untersuchungen an Pferden der Klägerin durchzuführen. Ihm wurde die Stute „Life's Luck” vorgeführt, bei der er eine sog. Follikelkontrolle, d.h. eine rektale Untersuchung zur Bestimmung der Follikelreife, durchführen sollte. Die Stute, geboren im Jahr 1991, hatte bedeutende Rennerfolge erzielt und sollte nun zu Zuchtzwecken eingesetzt werden. Bei der Untersuchung wurde der Darm der Stute verletzt, was sich an Blutspuren auf dem Untersuchungshandschuh des Zeugen Dr. B. zeigte. Nach einer unmittelbar darauf folgenden weiteren Untersuchung des Darmes und einem Anruf beim Beklagten diagnostizierte Dr. B. einen einfachen Schleimhautriss.

Als Mitarbeiter der Klägerin gegen 16.00 Uhr die Pferde von der Koppel holten, stellten sie fest, dass sich der Zustand der Stute verschlechtert hatte. Sie brachten die Stute in den Stall, wo sie der herbeigerufene Beklagte behandelte.

Etwa gegen 21.00 Uhr verschlechterte sich der Zustand der Stute wiederum. Der herbeigerufenen Beklagte untersuchte sie ein weiteres Mal rektal und stellte eine Darmruptur fest. Nach Ruhigstellung verbrachte er die Stute in seine Tierklinik in St., wo er etwa gegen 22.30 Uhr eine transrektale Darmwandnaht vornahm. Am 15.2.1996 zeigte die Stute wiederum Koliksymptome. Der Beklagte operierte die Stute am Morgen des 15.2.1996 unter Öffnung der Bauchhöhle. Die Stute wurde am 18.2.1996 eingeschläfert. Als Todesursache wurde eine Bauchhöhleninfektion aufgrund einer Enddarmruptur festgestellt.

II. Die Klägerin hat im ersten Rechtszug vorgebracht, der Beklagte sowie sein von ihm im Rahmen des Vertrages eingesetzter Erfüllungsgehilfe, der Zeuge Dr. B., hätten die Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag mehrfach durch nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Maßnahmen und Versäumnisse schuldhaft verletzt und dadurch adäquat kausal den Tod der Stute herbeigeführt. Der Beklagte hafte auch aus Delikt.

Ein Behandlungsfehler liege zunächst darin, dass der Beklagte seinem insoweit noch unerfahrenen Assistenzarzt die Follikeluntersuchung ohne weitere Beaufsichtigung übertragen habe. Die Follikeluntersuchung sei ohne ihr, der Klägerin, Einverständnis von dem unerfahrenen Arzt Dr. B. vorgenommen worden. Sie sei pflichtwidrig nicht über die Risiken einer Follikeluntersuchung durch einen unerfahrenen Arzt und ein gesteigertes Risiko einer Follikeluntersuchung bei einem Rennpferd aufgeklärt worden. Der Beklagte sei nicht unverzüglich nach der Untersuchung durch Dr. B. erschienen, um den Umfang der Verletzung festzustellen. Das Pferd hätte unverzüglich chirurgisch versorgt werden müssen. Dr. B. habe nach der Untersuchung die Zeugin N. angewiesen, die Stute auf die Weide zu lassen. Die Vornahme von vier Nachuntersuchungen sei kausal für die Darmruptur und den Tod des Pferdes gewesen, falls nicht eine Verletzung der Muscularis mucosae bereits von Anfang an bestanden habe. Der Beklagte habe bei der Untersuchung am Nachmittag wiederum eine „einfache” Schleimhautverletzung festgestellt und nur die Kolik behandelt, obwohl er spätestens zu diesem Zeitpunkt wegen der Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Stute eine weiter gehende, z.B. endoskopische Untersuchung des Darmes hätte durchführen müssen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei auch eine operative Versorgung indiziert gewesen. Am frühen Abend des 14.2.1996 habe der Beklagte eine weitere Nachuntersuchung ...

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