Leitsatz (amtlich)

Die Kündigungsfrist gemäß § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG beginnt erst mit dem tatsächlichen Umzug des Verbrauchers.

 

Normenkette

TKG § 46 Abs. 8 S. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 01.02.2017; Aktenzeichen 37 O 13495/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgericht München I vom 1. Februar 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände - Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Die Beklagte bietet Verbrauchern Telekommunikationsdienstleistungen an. In einem Forum in ihrem Internetauftritt machte sie im Juni 2016 die nachfolgend in der Formel des landgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Aussagen, die der Kläger erfolglos als unlauter abmahnte.

Mit Urteil vom 1. Februar 2017, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt,

I. es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die mit ihr einen Vertrag zur Erbringung öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste über das Kabel-TV-Netz abgeschlossen haben und die ihren Wohnsitz an einen Ort verlegen, an dem die vertraglich vereinbarten Dienste nicht erbracht werden können, zu erklären, der Vertrag sei unter Einhaltung der Frist von drei Monaten ab dem Umzugstermin kündbar, wie geschehen in folgender Erklärung auf der Internetseite:

((Abbildung));

II. an den Kläger 214,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2016 zu zahlen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen; der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Des Weiteren stützt er die Klageforderung im Wege der Anschlussberufung in zweiter Linie auch auf § 2 UKlaG; die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2018 Bezug genommen.

II. Die Berufung der Beklagten ist begründet, während die Anschlussberufung des Klägers unbegründet ist.

1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

a) Die beanstandete Äußerung der Beklagten ist nicht unlauter (§ 3 Abs. 1 UWG).

aa) Sie enthält keine unwahren oder zur Täuschung geeigneten Angaben über die Rechte des Verbrauchers (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG). Vielmehr gibt sie die Voraussetzungen und Folgen des Sonderkündigungsrechts nach § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG zutreffend dahingehend wieder, dass die Kündigungsfrist erst mit dem tatsächlichen Umzug des Verbrauchers beginnt. Der Verbraucher wird durch den Hinweis der Beklagten also nicht davon abgehalten, eine zu einem früheren Zeitpunkt wirksam werdende Kündigungserklärung abzugeben (ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. Dezember 2017 - 20 U 77/17, BeckRS 2017, 139318).

(1) Bereits der Wortlaut der Vorschrift des § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG spricht dafür, dass das Sonderkündigungsrecht erst mit dem Vollzug des Wohnsitzwechsels entsteht. Denn sie knüpft an die Regelung des § 46 Abs. 8 Satz 1 TKG an, der zufolge der Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet ist, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz wechselt, die vertraglich geschuldete Leistung an dem neuen Wohnsitz des Verbrauchers zu erbringen, soweit diese dort angeboten wird. Diese Verpflichtung tritt erst ein, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz gewechselt hat; vorher kann der Verbraucher nicht die Leistung an seinem künftigen Wohnsitz verlangen.

Für den in § 46 Abs. 8 Satz 1 TKG nicht geregelten Fall, dass die vertragliche Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten wird, räumt § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG dem Verbraucher das Recht zur Kündigung des Vertrages unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats ein. Bereits die Bezugnahme auf den neuen - und nicht den künftigen - Wohnsitz verweist darauf, dass der Verbraucher erst ab dem Zeitpunkt kündigen können soll, an dem er die Leistung nicht mehr in Anspruch nehmen kann.

(2) Auch unabhängig davon ist § 46 Abs. 8 Satz 3 TKG dahin auszulegen, dass die Kündigungsfrist erst mit dem tatsächlichen Umzug des Verbrauchers beginnt (ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. Dezember 2017 - 20 U 77/17, BeckRS 2017, 139318).

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