Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz. Transportrecht
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 11.09.2009; Aktenzeichen 1 HKO 1644/05) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 11.09.2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte, als Frachtführerin, wegen der Beschädigung von Impfstoff infolge unzureichender Kühlung in Anspruch.
Mit Transportvertrag vom 18.08.2003 (Anlage K 1) beauftragte die A.-GmbH & Co. KG, Salzburg, die Spedition W. Transport GmbH mit der Verbringung von Impfstoffen (Humanmedizin) von Frankreich und Belgien nach P. bei Salzburg. Die W.-GmbH gab den Auftrag an die Klägerin weiter, diese an die Beklagte; auf den Frachtbrief, Anlage K 2, aus dem sich ergibt, dass es sich bei dem Transportgut um Medikamente handelt, die in einem Temperaturbereich von + 2 Grad bis + 8 Grad zu halten sind, wird Bezug genommen. Der Transport erfolgte in der Zeit vom 26.08.2003, ca. 16.00 Uhr, bis 28.08.2003, ca. 13.00 Uhr. Unstreitig kam es in diesem Zeitraum zu mehrfachen Überschreitungen der einzuhaltenden Höchsttemperatur: Hierzu wird insbesondere auf Anlage K 4 hingewiesen.
Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus dem ausführlichen Tatbestand des Ersturteils (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klägerin von den ursprünglich beantragten Euro 27.453,26 einen Betrag von Euro 18.917,94 (zuzüglich Zinsen) zugesprochen und ihr einen dementsprechenden Kostenanteil von 2/5 auferlegt. Dabei ging es vom Vorliegen eines vorsatzgleichen Verschuldens im Sinne von Art. 29 Abs. 1, 32 Abs. 1 Satz 2 CMR aus: Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass die Arzneimittel bereits vor Übernahme aufgeheizt bzw. unzureichend vorgekühlt gewesen seien. Das Gericht habe keine Zweifel daran, dass das der Ladung beigefügte Temperaturmessgerät - von dessen Existenz der Fahrer der Beklagten nichts wusste - ordnungsgemäß funktioniert habe. Zwar seien Fehler hinsichtlich Auswahl bzw. Instandhaltung des benutzten Kühl-Lkws nicht ersichtlich, jedoch habe die Beklagte sich hinsichtlich der Verwendung der Kühleinrichtung nicht gemäß Art. 18 Abs. 4 CMR entlasten können. Der Fahrer habe die Temperatur nicht ausreichend und regelmäßig kontrolliert, weshalb er den bedenklichen Temperaturanstieg nicht erkannt habe und Gegenmaßnahmen nicht möglich gewesen seien.
Beim Schaden des Transportgutes sei vom Rechnungspreis auszugehen: Einerseits könne die Beklagte sich nicht auf die Haftungshöchstgrenzen der CMR berufen (Art. 29 Abs. 1 CMR), andererseits ließe das hier ergänzend heranziehbare französische Recht den Ersatz weiterer Folgeschäden nicht zu.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Weder könne von der im Sinne von Art. 29 Abs. 1 CMR erforderlichen Leichtfertigkeit ausgegangen werden, noch liege Kausalität zwischen einem möglichen Fehlverhalten des Fahrers und dem eingetretenen Schaden vor.
Die Beklagte beantragt daher,
unter Aufhebung des Ersturteiles die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
In ihrer Berufungserwiderung vom 17.05.2010 verteidigt sie das Ersturteil und vertieft ihre Darstellung zum Vorliegen eines vorsatzgleichen Verschuldens. Die Beklagte habe weder Temperaturaufzeichnungen vorgenommen, noch eine Kontrolle auch in der Nacht durchgeführt. Angesichts der unzureichenden Vorsichtsmaßnahmen und Kontrollen müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit dem Eintritt eines Schadens gerechnet habe, wobei es nicht allein auf den Fahrer ankomme.
II. Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache als unbegründet.
Jedenfalls im Ergebnis bleiben die Angriffe der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ohne Erfolg:
Unter den gegebenen Umständen geht auch der Senat von einem vorsatzgleichen Verschulden im Sinne von Art. 29 CMR auf Beklagtenseite aus, mit der Folge, dass diese sich nicht auf die Haftungsbeschränkungen der Art. 17-28 CMR berufen kann und der Anspruch der Klägerin wegen Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR auch nicht verjährt ist:
1. Der Senat teilt voll umfänglich die streitentscheidende Auffassung des Erstgerichts, wonach beim Fahrer der Beklagten ein vorsatzgleiches Verschulden vorgelegen hat, Art. 29 Abs. 2 CMR. Die insoweit beweisbelastete Klägerin (vgl. Thume-Harms, CMR, 2. Aufl., Art. 29 Rdn. 84 ff.) hat den erforderlichen Nachweis erbracht.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Zeuge J. jedenfalls in der Nacht vom 26.08. auf 27.08.2003 keine regelmäßigen Temperaturkontrollen durchgeführt. Ausweislich der Temperaturaufzeichnungen (vgl. Anlage K 4), von deren Richtigkeit nach der Beweisaufnahme auszugehen ist, stieg die Temperatur der Medikamente in dieser Nacht auf bis zu 11,9 Grad Celsius (!). Dieser deutliche Temperaturanstieg (Anlage K 4) hätte dem Fahrer zwingend auffallen müssen. Angesichts der Aufzeichnungen einerseits...