Leitsatz (amtlich)
Im Gegensatz zur wohl noch mehrheitlichen Meinung schließt sich der 1. Zivilsenat der Ansicht an, dass bei Zurückweisung der Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO der Berufungskläger auch die Kosten einer wirkungslos gewordenen Anschlussberufung zu tragen hat. Ob das anders zu sehen ist, wenn die Anschlussberufung eingelegt wird, nachdem bereits ein Hinweis nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO ergangen ist, konnte offen bleiben.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 05.10.2011; Aktenzeichen 9 O 1167/08) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 5.10.2011 verkündete Urteil des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin verliert damit ihre Wirkung.
Der Beklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels unter Einschluss der Kosten der Anschlussberufung.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 32.027,19 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Berufung des Beklagten hat nach übereinstimmender Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg, ohne dass die Revision zuzulassen oder eine mündliche Verhandlung geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Zur Begründung wird auf den Hinweis des Vorsitzenden vom 13.3.2012 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Stellungnahme des Beklagten vom 19.4.2012 wiederholt lediglich bekannte Argumente, mit denen sich der Senat bereits auseinandergesetzt hat und die dem Rechtsmittel angesichts der Feststellungen des Sachverständigen Dr. Dr. R. zu keinem Erfolg verhelfen können. Die eingeholten Gutachten und ihre Erläuterung tragen das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung zum Haftungsgrund. Mängel der sachverständigen Feststellungen zeigt der Beklagte nicht auf, womit insgesamt auch kein Anlass besteht, ein neues Gutachten einzuholen (vgl. zu den Voraussetzungen § 412 Abs. 1 ZPO). Dass das Gutachten des Sachverständigen Dr. Dr. R. mit seiner Ergänzung und mündlichen Erläuterung den Beklagten nicht überzeugt, führt zu keinen Anhaltspunkten für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen i.S.v. §§ 513 Abs. 1, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (BGH NJW 2003, 3480, 3481).
Mit der Zurückweisung der Berufung verliert die Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung (§ 524 Abs. 4 ZPO), was der Senat deklaratorisch ausspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten der wirkungslos gewordenen Anschlussberufung der Klägerin.
Die Anschlussberufung ist kein selbständiges Rechtsmittel i.S.v. § 97 Abs. 1 ZPO, sondern nur ein Angriff innerhalb der fremden Berufung (Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 524 Rz. 4). Der Anschlussberufungskläger unterliegt im Falle der Wirkungslosigkeit nach § 524 Abs. 4 ZPO auch nicht i.S.v. §§ 91 ff. ZPO (vgl. BGH NJW 1952, 384 f.). Vielmehr ergeht überhaupt keine Entscheidung über seinen Antrag, weil der Berufungskläger mit dem Rechtsmittel scheitert. Den Berufungskläger treffen daher grundsätzlich auch die Kosten der wirkungslosen Anschlussberufung (Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 524 Rz. 31a; Wulf, in: BeckOK-ZPO, Stand: 1.1.2012, § 524 Rz. 34; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 516 Rz. 10), was zumindest für die Fälle außer Zweifel steht, in denen der Berufungskläger durch eine in sein Belieben gestellte Prozesshandlung die Anschlussberufung hinfällig werden lässt (BGH NJW 1952, 384, 385; 1981, 1790, 1791; NJW-RR 2006, 1147 f.; Zöller/Heßler, § 524 Rz. 43).
Die Kosten der Anschlussberufung trägt der Berufungsbeklagte dann, wenn eine negative Entscheidung über seinen Angriff ergeht (BGH NJW 1987, 3263, 3264; NJW-RR 2005, 727, 728 m.w.N.), er sich einer unzulässigen, zurückgewiesenen oder verworfenen Berufung angeschlossen hat oder in Fällen des Missbrauchs. Für den Fall der Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO wird wohl noch mehrheitlich Gleiches, nämlich eine anteilige Kostenbelastung des Anschlussberufungsklägers vertreten, da dieser von vornherein wisse, dass sein Angriff im Falle der Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss seine Wirkung verliere (offen lassend BGH NJW-RR 2006, 1147, 1148; OLG Stuttgart NJW-RR 2009, 863, 864; OLG Köln NJOZ 2009, 4501, 4502; Zöller/Heßler, § 524 Rz. 44 m.w.N.; Musielak/Ball, § 524 Rz. 31a; Thomas/Putzo/Reichold, § 516 Rz. 11; Hk-ZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 524 Rz. 19). Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen (so bspw. auch OLG Hamm NJW 2011, 1520, 1521; OLG Frankfurt NJW 2011, 2671, 2672; OLG Köln NJW-RR 2011, 1435 f.; OLG Zweibrücken NJOZ 2010, 2574, 2575; PG/Lemke, ZPO, § 524 Rz. 32).
Allen Fällen, in denen der Berufungsbeklagte unstreitig mit den anteiligen Kosten seiner wirkungslosen Anschlussberufung belastet wird, ist im Wesentlichen gemein, dass es an einer (zulässigen) Berufung fehlt oder es der Berufungsbeklagte auf eine Entscheidung über den wirkungslosen Anschluss ankommen lässt, also tatsächlich unterliegt. Die Anschlussberufung ist akzessorisch...