Leitsatz (amtlich)
Pfändbares Vermögen ist bei der Beurteilung der krassen finanziellen Überforderung von Bürgen und Mithaftenden in der Weise zu berücksichtigen, dass der ermittelte Wert des pfändbaren Vermögens von der Bürgschafts- oder mit übernommenen Schuld abgezogen wird. Nur wenn der pfändbare Teil des Einkommens des Bürgen oder Mithaftenden die auf den so ermittelten Schuldbetrag entfallenden laufenden Zinsen voraussichtlich nicht abdeckt, liegt eine krasse finanzielle Überforderung vor (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5 [10]).
Verfahrensgang
LG Dessau (Urteil vom 19.05.2003; Aktenzeichen 4 O 45/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.5.2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Dessau wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 587.985,66 Euro.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz einschl. der dort ergangenen Entscheidung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Leseabschrift Bl. 163 ff. Bd. I d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, das LG habe die Darlehensverträge vom 26.5./3.6.1992 und den Darlehensvertrag vom 16.10./26.10.1992 die Klägerin betreffend zu Unrecht als sittenwidrig und damit rechtsunwirksam angesehen. Entgegen der Auffassung des LG sei die Klägerin Mitdarlehensnehmerin. Sie habe ein eigenes Interesse an der Gewährung dieser Darlehen und ein Mitspracherecht über die Verwendung der Darlehensmittel gehabt. Aus dem Schriftverkehr der Klägerin und ihres Ehemannes (nachfolgend: Hauptschuldner) mit ihr, der Beklagten, sei zu ersehen, dass sich die Klägerin stets mit den Interessen ihres Ehemannes identifiziert habe und die Entscheidungen bezüglich der genannten Darlehen immer von beiden Eheleuten gemeinsam getragen worden seien. Das Darlehen vom 16.10./26.10.1992 sei zudem auf ein gemeinsames Konto der Eheleute ausgereicht worden. Jedenfalls insoweit könnten keine Zweifel bestehen, dass die Klägerin über die Verwendung der Darlehensmittel gleichberechtigt mitzubestimmen hatte. Aus der Gesamtwürdigung ergebe sich, dass die finanziellen Verhältnisse der Klägerin und des Hauptschuldners eng miteinander verwoben waren und alle Darlehensentscheidungen Bestandteil der gemeinsamen Planung der wirtschaftlichen Familienverhältnisse gewesen seien. Auch sei die Klägerin entgegen der Annahme des LG nicht krass finanziell überfordert. Wenn auch ihr pfändbares Einkommen nicht ausreiche, die sich aus den Darlehensverpflichtungen ergebende Zinslast zu tragen, sei doch ihr erhebliches Vermögen mit einzubeziehen. Auch hätte sie ihre Leistungsfähigkeit durch eine geeignete Anlage des aus der Veräußerung des Grundstückes im W.-weg in D. stammenden Erlöses von 206.400 DM steigern können. Im Übrigen sei nach der früheren Rspr. des X. Zivilsenats des BGH eine krasse finanzielle Überforderung nicht anzunehmen, wenn der Betroffene in der Lage ist, innerhalb von fünf Jahren 20 v.H. der Hauptschuld abzutragen. Diese Rspr. sei jedenfalls auf Altfälle aus der Zeit vor dem 1.1.1999 anzuwenden. Die Belastung der Klägerin sei zudem durch anderweitige Sicherheiten auf ein vertretbares Maß reduziert, weil die Mietzinseinkünfte aus der Vermietung des Objekts W.-R.-Straße 40 an die Beklagte abgetreten worden seien. Nicht zuletzt sei die Haftung der Klägerin durch die Grundschuld an dem Grundstück in B. auf ein vertretbares Maß reduziert.
Entgegen der Auffassung des LG sei sie, die Beklagte, berechtigt gewesen, auch den Darlehensvertrag vom 4.12./13.12.1992 zu kündigen. Sie habe zu Recht befürchtet, die Klägerin werde diesen Vertrag nicht mehr bedienen können. Immerhin habe der mitverpflichtete Ehemann die eidesstattliche Versicherung abgegeben und eine im Juli 2001 versuchte Mobiliarzwangsvollstreckung gegen die Klägerin sei fruchtlos verlaufen. Es dürfe zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass die Ehegatten auf dieses Darlehen in der Vergangenheit nur deshalb umfangreiche Zahlungen hätten leisten können, weil gezielt sie den Großteil der ihnen zur Verfügung stehenden, teilweise nicht unerheblichen Beträge aus angeblichen Drittquellen zu Lasten der anderen Darlehensverträge zur Rückzahlung der Kredite betreffend das Grundstück in D. verwandt hätten.
Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihren Vortrag aus erster Instanz.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des am 19.5.2003 verkündeten Urteils der 4. Zivilkammer des LG Dessau abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und nimmt Bezug auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie betont, sie habe weder einen unmittelbaren Vorteil aus den mit den Verträgen vom 26.5./3.6.1992 und 16.10./26.10.1992 gewährten ...