Leitsatz (amtlich)
Mit der Entscheidung des EGMR vom 22.1.2004 zum gesetzlichen Auflassungsanspruch des Landesfiskus an Bodenreformgrundstücken ist kein Wiederaufnahmegrund dargetan, sodass die hierauf gestützte Restitutionsklage als unzulässig zu verwerfen ist.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 17.06.2004; Aktenzeichen 4 O 88/04) |
LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 4 O 71a/95) |
Tenor
Die Berufung des Restitutionsklägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Halle vom 17.6.2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Wiederaufnahmeklage als unzulässig verworfen ist.
Die Kosten der Berufung trägt der Restitutionskläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Restitutionskläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 5.000 EUR abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 16.794,92 EUR.
Gründe
I. Wegen der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Das LG Halle hat die Klage durch Urt. v. 17.6.2004 [Bd. I Bl. 161, 163-168 d.A.] abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Restitutionskläger mit seiner Berufung.
Das LG sei nicht bereit gewesen, sich der Argumentation des Restitutionsklägers zuzuwenden. Auch durchschaue die bisherige Rechtsprechung des Senats die sich aus dem Menschenrechtsverstoß ergebende Rechtslage nur unzureichend. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sei in jedem Verfahren zu berücksichtigendes, die Gerichte bindendes Recht mit Vorrang. Das innerstaatliche Recht müsse konventionsfreundlich angewendet werden, womit die Gerichte jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen hätten, menschenrechtswidrige Judikate aus der Welt zu schaffen. Damit kämen sie ihrer bereits im Ausgangsverfahren versäumten Pflicht zur Wahrung der Menschenrechte nach. Mittel hierzu sei die Wiederaufnahme des Verfahrens, deren Voraussetzungen zumindest in Analogie zu § 359 StPO vorlägen. Mit der Feststellung des Menschenrechtsverstoßes durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) liege die der Restitution insgesamt zugrunde liegende Erschütterung der Urteilsgrundlagen unzweifelhaft vor, zumal sich der historische Gesetzgeber mit einer Entscheidung des EuGHMR nicht habe befassen können.
Der Restitutionskläger beantragt, das Urteil des LG Halle vom 17.6.2004 abzuändern und unter Aufhebung des Urteils des LG Halle vom 7.9.1995, Geschäftszeichen: 4 O 71a/95, die Klage abzuweisen.
Das Land Sachsen-Anhalt beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, die Restitutionsklage sei unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II. Die zulässige Berufung des Restitutionsklägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des LG beruht auf keiner Rechtsverletzung i.S.v. § 513 Abs. 1 Alt. 1 ZPO. Lediglich der Tenor ist dahin zu berichtigen, dass die Restitutionsklage als unzulässig verworfen wird (§ 589 Abs. 1 S. 2 ZPO).
1. Das LG hat ausgeführt, die Restitutionsklage sei nicht statthaft, da keiner der in § 580 ZPO enthaltenen Wiederaufnahmegründe schlüssig behauptet sei. Insbesondere läge ein Fall der Nr. 6 und 7 des § 580 ZPO nicht vor. Die Entscheidung des EuGHMR hebe kein präjudizielles Urteil auf. Der Kläger habe auch kein in derselben Sache früher rechtskräftig gewordenes Urteil aufgefunden. Letztlich werde keine Urkunde vorgetragen, die eine dem Kläger günstige Entscheidung herbeigeführt haben würde. Urkunden i.S.v. § 580 Nr. 7 Buchst. b) ZPO seien nur solche Unterlagen, aus denen sich zu beweisende Tatsachen ergäben. Außerdem müsse die Urkunde zu einem Zeitpunkt errichtet gewesen sein, der ihre Benutzung im ersten Verfahren möglich gemacht hätte. Eine Restitutionsklage analog § 580 ZPO komme aus Gründen der Rechtssicherheit und des Fehlens einer planwidrigen Lücke nicht in Betracht. Dies werde durch die auf § 359 Nr. 6 StPO beschränkte Reform des Wiederaufnahmerechts unterstrichen. Eine Ausdehnung der Wiederaufnahmemöglichkeiten obliege allein dem Gesetzgeber. Darauf, ob die Entscheidung des EuGHMR durch die Große Kammer bestätigt werde, komme es daher nicht an, sodass ein Aussetzung analog § 148 ZPO mangels Vorgreiflichkeit nicht in Betracht zu ziehen sei.
Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Der Senat teilt die Auffassung des LG und hält an seiner Entscheidung vom 29.6.2004 fest. Die Restitutionsklage ist nicht statthaft.
2. Zur Statthaftigkeit der Restitutionsklage gehört das schlüssige Behaupten eines, der in § 580 ZPO aufgeführten Wiederaufnahmegründe (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 589 Rz. 2). Ein solcher ist mit dem Hinweis auf die Entscheidung des EuGHMR (EuGHMR, Urt. v. 22.1.2004 - 46720/99, 72203/01, 72552/01, NJW 2004, 923) nicht vorgebracht (so auch OLG Dresden, Beschl. v. 1.4...