Leitsatz (amtlich)
Die oberirdische Verlegung einer Wasserleitung zu einem Verkaufsstand über Flächen, die als Gehweg vorgesehen sind, ist von den Besuchern eines Weihnachtsmarktes als ein zu erwartendes Hindernis hinzunehmen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt nicht vor, wenn der Wasserschlauch mittels einer nach Farbe und Struktur vom Bodenbelag unterscheidbaren Kunststoffabdeckung gesichert wird.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, §§ 830, 839; SGB 10 § 116
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 25.05.2011; Aktenzeichen 10 O 2047/10) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.5.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Das am 25.5.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Magdeburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Kosten, die die Klägerin für die Heilbehandlung ihrer gesetzlich Versicherten E. S. wegen der bei einem Unfall erlittenen Verletzungen aufgewendet hat und möglicherweise zukünftig noch aufwenden wird.
Der Unfall ereignete sich am 7.12.2007 auf dem Weihnachtsmarkt in W.. Der Beklagte zu 2. betrieb dort zwei Verkaufshütten, wobei er den entsprechenden Standplatz von der Stadt W., der Beklagten zu 1., angemietet hatte. Nach § 5 Abs. 2 des Mietvertrages oblag dem Beklagten zu 2. als Mieter die Verkehrssicherungspflicht für die angemietete Verkaufsfläche "sowie den daran angrenzenden Raum", und er sollte weiterhin für alle Schäden haften, die gegenüber Dritten, insbesondere Besuchern des Weihnachtsmarktes, entstehen.
Zur Versorgung des Verkaufsstandes mit Wasser hatte der Beklagte zu 2. einen Schlauch verlegt, der quer über die für die Besucher des Marktes bestimmte Gehfläche verlief. Der Schlauch war mit einer grauen, einige cm hohen, steifen, gerundeten Kunststoffabdeckung abgedeckt (Lichtbilder Bl. 10 u. 11 d.A., jeweils unten, Bl. 13, 14 u. 155 d.A.); die Abdeckung hatte die beklagte Stadt dem Standbetreiber zur Verfügung gestellt.
Am Abend des 7.12.2007 traf sich die Reinigungskraft E. S. mit Kollegen auf dem Weihnachtsmarkt zu einer Weihnachtsfeier. Nach den - bestrittenen - Angaben der Klägerin stürzte sie dabei gegen 18.30 Uhr über die Abdeckung des Wasserschlauchs. Sie erlitt infolge des Sturzes eine Ellenbogenfraktur links mit Fraktur des Radiuskopfes. Frau S. befand sich in der Zeit vom 11.12. bis 15.12.2007 in stationärer Krankenhausbehandlung; auch danach musste sie sich ärztlichen Behandlungsmaßnahmen unterziehen und fortlaufend Krankengymnastik und Ergotherapie in Anspruch nehmen. Der Unfall ist von der Klägerin, der Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung im Land Sachsen-Anhalt, durch Bescheid vom 2.7.2008 als Arbeitsunfall anerkannt worden.
Ihre bisherigen Aufwendungen für die Versicherte E. S. beziffert die Klägerin auf insgesamt 24.761,89 EUR; hinsichtlich der Zusammensetzung des Betrages im Einzelnen wird auf die in der Klageschrift vom 16.12.2010, Seite 3 bis 5 enthaltene Aufstellung sowie auf die Belege K 15 bis K 96 und K 100 bis K 111 verwiesen.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten nunmehr auf Ersatz von 70 % der ihr entstandenen Aufwendungen, d.h. i.H.v. 17.333,32 EUR, in Anspruch, wobei sie sich einen Mitverschuldensanteil der Verletzten S. von 30 % anrechnen lässt. Außerdem begehrt sie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz von 70 % der zukünftig auf sie - die Klägerin - übergehenden Schadensersatzansprüche. Die Klägerin hat in der grauen Kunststoffabdeckung eine "regelrechte Stolperfalle" für die Besucher des Weihnachtsmarkts gesehen und daraus den Vorwurf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber den Beklagten abgeleitet. Sie hat außerdem ergänzend darauf hingewiesen, dass die graue Kunststoffabdeckung einige Tage nach dem Unfall - von unbekannter Seite - durch eine grüne Filzmatte ersetzt worden sei (Lichtbilder Bl. 10 u. 11 d.A., jeweils oben, sowie Bl. 12 d.A.).
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 17.333,32 EUR zzgl. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, zukünftig auf die Klägerin gesetzlich übergehende Schadensersatzansprüche aus dem Unfall vom 7.12.2007, Geschädigte E. S., Az.:..., i.H.v. 70 % zu ersetzen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben den Unfall auf dem Weihnachtsmarkt, dessen behaupteten Hergang, Ursache und Folgen, mit Nichtwissen bestritten. Nach ihre...