Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 03.12.2021; Aktenzeichen 9 O 153/20) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, das Berufungsverfahren im Hinblick auf das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof - C 100/21 - auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das am 03.12.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Zudem hat der Senat beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 22.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche wegen des -vom Kläger behaupteten - Einsatzes von unzulässigen Abschalteinrichtungen.
Der Kläger erwarb am 14.10.2017 bei der M&S A. GmbH in B. ein gebrauchtes Fahrzeug des Typs Audi A4 2.0 TDI mit der Fahrzeug-Ident.-Nr. ... zu einem Kaufpreis von 25.990,00 EUR brutto mit einem Kilometerstand von 30.300 km (vgl. Bestellung vom 14.10.2017. Anlage K 1, Anlagenordner). Das Fahrzeug wurde erstmals am 04.11.2015 zugelassen. In dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 288, Euro-Norm 6, verbaut; der Motor wurde von der Beklagten hergestellt. Der Motor EA 288 ist das Nachfolgemodell des Motors EA 189.
Die Abgasreinigung des Fahrzeugs erfolgt über eine Abgasrückführung (AGR), die durch ein "Thermofenster" beeinflusst wird. Zusätzlich verfugt das Fahrzeug gemäß Schriftsatz des Klägers vom 29.10.2021. S. 2 (Bd I Bl. 144 d.A.), über einen NOx-Speicherkatalysator, ein Abgasnachbehandlungssystem. Laut Beklagtenschriftsatz vom 04 11.2021. S. 1 f, (Bd. Bl. 148 d.A.), hat das Fahrzeug ein SCR-System. Nach nicht bestrittenem Vortrag der Beklagten muss für die Benutzung AdBlue getankt werden
Der Kilometerstand betrug am 12.11.2021 91.139 km. Der Terminsbevollmächtigte des Klägers hat bei der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27.09.2022 erklärt er könne die Kilometerzahl nicht angeben.
Der Kläger hat gemeint, das Thermofenster sei eine unzulässige Abschalteinrichtung. Außerdem nutze die Beklagte eine Fahrkurvenerkennung, die im Ergebnis demselben Zweck diene wie bereits die Zykluserkennung. Die Software erkenne, ob das Fahrzeug eine Fahrkurve fahre und sich somit im Prüfstandsverfahren befinde. Der Kläger hat behauptet, der NOx-Ausstoß der Motorenbaureihe EA288 überschreite im realen Verkehrsbetrieb den zulässigen Grenzwert um ein Vielfaches. Die Motorenbaureihe EA288 unterliege einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt. Die konkrete Gefahr einer Stilllegung drohe zu jeder Zeit.
Durch das Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung habe die Beklagte das Kraftfahrtbundesamt im Rahmen der Typengenehmigung und jeden potentiellen Käufer getäuscht.
Der Kläger hat gemeint, er habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB, aus § 831 BGB, aus § 323 Abs. 2 BGB i.V.m § 263 Abs. 2 StGB und aus §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FGV.
Die Beklagte hat das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bestritten und auf einen Bericht der Untersuchungskommission V. (Anlage B 1, Anlagenordner) sowie eine T.-Mitteilung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vom 12.09.2019 (Anlage B 2, Anlagenordner) verwiesen. Das Kraftfahrtbundesamt bestätige - was nicht bestritten wird - im Rahmen amtlicher Auskünfte, dass die Motoren EA 288 nach seiner Kenntnis keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverhaltens aufwiesen (vgl. beispielhaft die Anlagen B 3, B 8, B 9, B 10, B 15, B 21, B 22 Anlagenkonvolut B 27, Anlagenordner).
Bei dem verbauten Thermofenster, welches in einem Umgebungstemperaturbereich zwischen -24°C und +70°C vollständig aktiv sei handele es sich schon nicht um eine Abschalteinrichtung, erst recht nicht um eine unzulässige.
Die Beklagte hat sich auf den unstreitigen Sachverhalt gestützt, sie habe bereits Anfang Oktober 2015 dem KBA erläutert, dass in EA288-Fahrzeugen zwar eine Fahrkurvenerkennung enthalten sei, diese aber nicht wie bei EA189-Fahrzeugen zu einer Optimierung der NOx-Emissionen im Prüfstandsbetriebe genutzt werde. Dies habe das KBA zum Anlass genommen, umfangreiche Untersuchungen an repräsentativen EA288-Fahrzeugen durchzuführen. Die Beklagte hat gemeint die Fahrkurvenerkennung sei keine unzulässige Abschalteinrichtung weil die gesetzlichen Grenzwerte im Prüfzyklus auch ohne diese Einrichtung eingehalten wurden die Funktion also nicht als Abschalteinrichtung genutzt werde und damit nicht grenzwertrelevant sei. Sie hat behauptet der streitgegenständliche Motor halte bei voller Funktionsfähigkeit aller abgasbehandelnden Bauteile in beiden Fahrsituationen - Prüfstand und Re...