Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfallen einer Terminsgebühr bei Vergleichsabschluss
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Vergleichsabschluss nach 278 Abs. 6 ZPO fällt eine 1,2 Terminsgebühr an, wenn die Parteivertreter außergerichtliche Vergleichsgespräche führen (Abgrenzung zu OLG Nürnberg, 3 W 4006/04; 2 W 208/05).
Normenkette
ZPO § 278 Abs. 6; RVG-VV Vorb. 3 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Amberg (Beschluss vom 15.02.2005; Aktenzeichen 21 O 1064/04) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Amberg vom 15.2.2005 dahin geändert, dass die Beklagte der Klägerin über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 494,40 EUR sowie Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.1.2005 zu erstatten hat.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 494,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien haben in mehreren Gesprächen außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt. Das LG Amberg hat mit Beschluss vom 27.12.2004 gem. § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen dieses Vergleichs festgestellt.
Die von der Klägerin in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 10.1.2005 begehrte 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG hat das LG in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.2.2005 nicht zugesprochen.
Gegen diesen ihr am 17.11.2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmachtigte vom 25.2.2005, eingegangen beim LG Amberg am 28.2.2005, sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, auch bei einem gerichtlich festgestellten Vergleich falle eine Terminsgebühr an, wenn außergerichtliche Vergleichsgespräche geführt worden seien.
Das LG Amberg hat durch Verfügung vom 4.4.2005 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Verfügung vom 13.4.2005 ist das Verfahren vom Einzelrichter dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen worden, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO.
II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ZPO zulässig und erfolgreich.
1. Durch das Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten ist eine Terminsgebühr entstanden, die ihre Rechtsgrundlage in der Vorb. 3, Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hat.
a) Das RVG findet Anwendung, weil die Beklagten ihren Prozessbevollmächtigten am 8.9.2004, somit nach dem in den gesetzlichen Übergangsvorschriften bestimmten Stichtag, dem 1.7.2004, beauftragten (§ 61 Abs. 1 S. 1 RVG).
b) Strittig ist, ob der Fall eines schriftlichen Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO generell eine Terminsgebühr auslöst (weil sich der Verweis "in einem solchen Verfahren" auf ein "Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist", bezieht) oder ob die Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleiches (nur) entsteht, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, "im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 Abs. 2 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden ... wird (erstere Auffassung vertreten: Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rz. 27; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 278 Rz. 19; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl., VV 3104 Rz. 54 [60]; Göttlich/Mümmler, RVG, 1. Aufl., T 4.3.2; letztere Auffassung vertreten: OLG Nürnberg AnwBl. 2005, 222, m. Anm. Henke; Beschl. v. 24.2.2005 - 2 W 208/05; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., RVG-VV 3104 Rz. 30; dahin tendierend: BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311 mit; zur Gegenvorstellung: BGH NJOZ 2004, 4083, zum alten Recht nach BRAGO).
c) Vorliegend kann diese Streitfrage offen bleiben, weil sich die Erstattungsfähigkeit der Terminsgebühr wegen tatsächlich geführter außergerichtlicher Vergleichsgespräche aus Abs. 3 der Vorb. 3 des Vergütungsverzeichnisses ergibt.
aa) Die Vorbemerkungen des Vergütungsverzeichnisses enthalten wesentliche Regelungen des Vergütungsrechts. Sie können auch zusätzliche Tatbestände enthalten (Enders, JurBüro 2004, 225 [227]; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl., Vorb. 3. VV Rz. 36). Dies ergibt sich für die vorliegend zu diskutierende Terminsgebühr auch aus der Formulierung der Nr. 3104 RVG-VV, wenn es dort heißt "die Gebühr entsteht auch, wenn ...".
bb) Nach Abs. 3 der Vorb. 3 des RVG-VV fällt eine Terminsgebühr nicht nur für die anwaltliche Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin an, sondern auch für "die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichtes" (nicht jedoch für die Besprechung allein mit dem Auftraggeber). Vorb. 3, Abs. 3 schafft somit einen Gebührentatbestand für eine Terminsgebühr außerhalb jedes Termins. Gesetzgeberische Motivation war, dass der Anwalt nach seiner Bestellun...