Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfallen der Terminsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Führen Parteien auf einen gerichtlichen Vorschlag zur gütlichen Einigung hin miteinander Vergleichsgespräche, deren Ergebnis in einem Gerichtsbeschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird, so steht den beteiligten Rechtsanwälten eine Terminsgebühr zu.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3104; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Beschluss vom 07.02.2005; Aktenzeichen 3 O 2308/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Regensburg vom 7.2.2005 dahin geändert, dass die Klägerin den Beklagten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 372,79 EUR sowie Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.12.2004 zu erstatten hat.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 372,79 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde, mit der sich die Beklagten gegen die Versagung einer Terminsgebühr wenden, ist zulässig (§ 104 Abs. 3 S. 1, §§ 567 ff. ZPO) und erfolgreich.

1. Nach Eingang von Klage und Klageerwiderung richtete das LG mit der Terminsladung an die Parteien die Anfrage, ob sie sich nicht bei Zahlung einer Summe von 1.000 EUR an die Klägerin gütlich einigen wollten. Nachdem die Klägerin diese Anfrage abschlägig beantwortet hatte, besprachen die Parteivertreter am Vormittag des 3.12.2004 die beiderseitigen Interessen und Prozessrisiken telefonisch und unterbreiteten das Ergebnis - Zahlung von 2.500 EUR zur Abgeltung aller Ansprüche der Klägerin, Kostenverteilung 65 % zu 35 % zu Lasten der Klägerin - noch am selben Tag den Parteien, die einwilligten. Das Gericht wurde von beiden Kanzleien per Fax noch am 3.12.2004 informiert und gebeten, den Termin vom 6.12.2004 abzusetzen sowie den gefundenen Kompromiss als gerichtlichen Vergleichsvorschlag den Parteien schriftlich nach § 278 Abs. 6 ZPO zu unterbreiten. Dementsprechend wurde verfahren und mit Beschluss vom 16.12.2004 das Zustandekommen des Vergleiches festgestellt.

2. Bei dieser Sachlage ist durch das Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine Terminsgebühr entstanden, die ihre Rechtsgrundlage in der Vorb. 3, Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hat.

a) Das RVG findet Anwendung, weil die Beklagten ihren Prozessbevollmächtigten am 20.10.2004, somit nach dem in den gesetzlichen Übergangsvorschriften bestimmten Stichtag, dem 1.7.2004, beauftragten (§ 61 Abs. 1 S. 1 RVG).

b) Die Terminsgebühr ist aufgeführt in Nr. 3104 RVG-VV. Dort ist in Abs. 1 Nr. 1 Folgendes geregelt:

"Die Gebühr entsteht auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 Abs. 2 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird."

Strittig ist allerdings, ob der Fall eines schriftlichen Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO generell eine Terminsgebühr auslöst (weil sich der Verweis "in einem solchen Verfahren" auf ein "Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist" bezieht) oder ob die Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleiches (nur) entsteht, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, "im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 Abs. 2 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden ... wird" (erstere Auffassung vertreten: Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rz. 27; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 278 Rz. 19; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl., VV 3104 Rz. 54 [60]; Göttlich/Mümmler, RVG, 1. Aufl., T 4.3.2; letztere Auffassung vertreten: OLG Nürnberg AnwBl. 2005, 222, mit Anm. Henke; Beschl. v. 24.2.2005 - 2 W 208/05; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., RVG-VV 3104 Rz. 30; dahin tendierend: BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311, mit - zur Gegenvorstellung - NJOZ 2004, 4083, die Entscheidung erging jedoch primär zum alten Recht nach BRAGO).

c) Vorliegend kann indes der Anwendungsbereich von Nr. 3104 Anm. 1 Nr. 1 RVG-VV im Fall des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO offen bleiben, weil sich die Erstattungsfähigkeit der Terminsgebühr aus Abs. 3 der Vorb. 3 des Vergütungsverzeichnisses ergibt.

aa) Die Vorbemerkungen des Vergütungsverzeichnisses enthalten wesentliche Regelungen des Vergütungsrechts. Sie können auch zusätzliche Tatbestände enthalten (Enders, JurBüro 2004, 225 [227]; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl., Vorb. 3 VV Rz. 30). Dies ergibt sich für die vorliegend zu diskutierende Terminsgebühr bereits aus der Formulierung der Nr. 3104 RVG-VV, wenn es dort heißt "die Gebühr entsteht auch, wenn ...".

bb) Nach Abs. 3 der Vorb. 3 des RVG-VV fällt eine Terminsgebühr nicht nur für die anwaltliche Vertretung in einem Verhandlungs-, Erör...

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