Leitsatz (amtlich)

Fiktive negative Wiederanlagezinsen dürfen im Rahmen einer nach der Aktiv-Passiv-Methode berechneten Vorfälligkeitsentschädigung nicht verlangt werden.

 

Normenkette

BGB § 490 Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 10 O 1623/22)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.03.2024; Aktenzeichen XI ZR 159/23)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.08.2022, Az. 10 O 1623/22, abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.600,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.06.2021 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 367,23 EUR freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 92 % und die Beklagte 8 %. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils von der vollstreckenden Partei vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

8. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird hinsichtlich der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Negativzinsen im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.750,93 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um die Rückzahlung von im Rahmen einer Vorfälligkeitsentschädigung gezahlten negativen Zinsen und eines geleisteten sog. Institutsaufwands.

Am 17.04.2009 schlossen die Parteien einen Immobiliardarlehensvertrag über einen Nettodarlehensvertrag in Höhe von 350.000,00 EUR (Anlage B 1), wobei sie am 31.01./06.02.2014 eine Zinsbindung bis 30.04.2024 vereinbarten (Anlage B 2). Für die vorzeitige Darlehensrückzahlung berechnete die Beklagte unter dem 19.05.2021 eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 33.317,74 EUR sowie Kosten (Institutsaufwand) in Höhe von 150,00 EUR (Anlagen DB 2 und B 3), die der Kläger jeweils bezahlte.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24.08.2022 Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Beklagte zur Rückzahlung von im Rahmen der Vorfälligkeitsentschädigung geleisteten negativen Zinsen und des Kostenaufwands verurteilt und die auf Rückzahlung der gesamten geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung gerichtete Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 26.08.2022 zugestellte Urteil haben diese mit Schriftsatz vom 26.09.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 08.12.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründet.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger im Rahmen der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung sowohl negative Zinsen als auch den Institutsaufwand geschuldet habe.

Die Beklagte beantragt:

Unter Abänderung des am 24.08.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Aktenzeichen: 10 O 1623/22, wird die Klage vollständig abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Ersturteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist größtenteils unbegründet.

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung der von der Beklagten angesetzten negativen Zinsen in Höhe von 2.600,93 EUR zusteht.

a. Nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag, bei dem - wie hier - der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grundpfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind. In diesem Fall hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber gemäß § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht, die sog. Vorfälligkeitsentschädigung. Eine insoweit gleichlautende Regelung findet sich in Ziff. 8.2. des Immobiliardarlehensvertrags vom 17.04.2009.

Bei der Vorfälligkeitsentschädigung handelt es sich - ausgehend vom Wortlaut des § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB und den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 16/11643, S. 87) - um einen Schadensersatzanspruch des Darlehensgebers, wobei selbst nach abweichender Ansicht weites...

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