Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich: Geringfügigkeitsprüfung bei Ost- und Westanrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Versorgungsausgleich kann auch dann wegen Geringfügigkeit unterbleiben, wenn zwar die Differenz zwischen den einzelnen Anrechte nicht gering ist, dies aber im Saldo aller gleichartigen Ausgleichswerte der Fall ist.

Bei dem Vergleich sind Ost- und Westanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung als Anrechte gleicher Art zu behandeln.

 

Normenkette

VersAusglG § 18 Abs. 1, 3; FamFG § 224 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 12.05.2010; Aktenzeichen 52 F 3356/09 VA)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) wird der am 12.5.2010 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Oldenburg geändert und wie folgt neu gefasst:

Ein Versorgungsausgleich zwischen den beiderseitigen Anrechten der beteiligten Ehegatten findet wegen Geringfügigkeit nicht statt (§ 18 Abs. 1 VersAusglG).

Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Verfahrenswert wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Ehe der beteiligten Ehegatten wurde durch Urteil des AG Oldenburg vom 14.12.2005 (52 F 3178/05 S) nach der bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage geschieden. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich hatte das AG nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt.

Das AG hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich gem. § 50 Abs. 1 VersAusglG im Dezember 2009 aufgenommen und gem. § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nach dem ab 1.9.2009 geltenden materiellen Recht und Verfahrensrecht durchgeführt. Entscheidungsgrundlage sind die neu eingeholten Auskünfte. Mit Beschluss vom 12.5.2010 hat das AG - Familiengericht - Oldenburg den Versorgungsausgleich schließlich in der Weise durchgeführt, dass es eine interne Teilung der von den Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte angeordnet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 3) mit ihrer fristgerecht eingegangenen und sogleich begründeten Beschwerde. Sie macht geltend, die Anwartschaften der Antragstellerin seien nur unvollständig berücksichtigt worden.

Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 23.7.2010 darauf hingewiesen, dass ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Geringfügigkeit in Betracht kommt. Die Beschwerdeführerin hat mitgeteilt, dass gegen diese Entscheidung keine Bedenken bestünden.

II. Die nach §§ 58, 63 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Gemäß §§ 1587 Abs. 1 BGB, 1 Abs. 1 VersAusglG hat zwischen den Ehegatten ein Versorgungsausgleich in der Weise stattzufinden, dass die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten geteilt werden. Da die Ehegatten am 21.9.1985 geheiratet haben und der Scheidungsantrag am 23.6.2005 zugestellt worden ist, dauerte die Ehezeit gem. § 3 Abs. 1 VersAusglG vom 1.9.1985 bis zum 31.5.2005. Die Ehezeit beträgt damit mehr als drei Jahre. Der Versorgungsausgleich findet deshalb gem. § 3 Abs. 3 VersAusglG von Amts wegen statt.

2. Beide Ehegatten haben nach Auskunft der Versorgungsträger während der Ehezeit Anteile von Anrechten sowohl in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) als auch in der knappschaftlichen Rentenversicherung (Ost) erworben. Die Ehefrau hat zusätzlich auch Anwartschaften auf West-Anrechte in der allgemeinen Rentenversicherung und in der knappschaftlichen Rentenversicherung erworben. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin jedoch darauf hin, dass das Familiengericht irrtümlich die von der Ehefrau in der knappschaftlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte in Form von Entgeltpunkten und Entgeltpunkten (Ost) nicht berücksichtigt hat. Diese von der Ehefrau erworbenen Anteile von Anrechten unterliegen ebenfalls dem Versorgungsausgleich.

Während der Ehezeit vom 1.9.1985 bis zum 31.5.2005 haben die Ehegatten folgende Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben:

Ehemann:

Allgemeine Rentenversicherung (Ost) 9,8201 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert 4,9101 Entgeltpunkte (Ost)

Korrespondierender Kapitalwert 23.821,13 EUR

Knappschaftliche Rentenversicherung (Ost) 6,4983 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert 3,2492 Entgeltpunkte (Ost)

Korrespondierender Kapitalwert 20.936,96 EUR

Ehefrau:

Allgemeine Rentenversicherung 2,8816 Entgeltpunkte

Ausgleichswert 1,4408 Entgeltpunkte

Korrespondierender Kapitalwert 8.307,59 EUR

Allgemeine Rentenversicherung (Ost) 7,5777 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert 3,7889 Entgeltpunkte (Ost)

Korrespondierender Kapitalwert 18.381,68 EUR

Knappschaftliche Rentenversicherung 0,1254 Entgeltpunkte

Ausgleichswert 0,0627 Entgeltpunkte

Korrespondierender Kapitalwert 480,18 EUR

Knappschaftliche Rentenversicherung (Ost) 4,6900 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert 2,3450 Entgeltpunkte (Ost)

Korrespondierender Kapitalwert 15.110,54 EUR

Die Anteile von Anrechten unterli...

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