Leitsatz (amtlich)
Zu den Sorgfaltspflichten von Radfahrern ggü. Fußgängern auf kombinierten Fuß- und Radwegen, sowie auf durch Zusatzschild für Radfahrer freigegebenen Gehwegen.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 16.12.2003; Aktenzeichen 4 O 1861/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.12.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Oldenburg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf bis zu 40.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls. Sie stiess als Radfahrerin auf einem kombinierten Rad- und Fussweg in Oldenburg mit dem Beklagten als Fussgänger zusammen; dabei erlitt sie erhebliche Verletzungen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe im Übrigen nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre bisher geltend gemachten Ansprüche weiter. Sie trägt unter Wiederholung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens vor, dass der Beklagte den Unfall schuldhaft verursacht habe.
Die Berufung der Klägerin ist gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss vom 10.2.2004 im Einzelnen ausgeführt, dass die Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Auf diese Ausführungen wird gem. § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen. Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 2.3.2004 rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht.
Der Verkehrsunfall zwischen der Klägerin als Radfahrerin und dem Beklagten als Fußgänger hat sich, was sich deren Vorbringen und dem Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten nicht abschliessend entnehmen lässt, offenbar auf einem Sonderweg i.S.d. § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO (kombinierter Fuß- und Radweg, Zeichen 240, 241), möglicherweise aber auch auf einem Gehweg i.S.d. § 25 StVO, der durch Zusatzschild für die Benutzung durch Radfahrer freigegeben war, ereignet. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann dies dahinstehen.
Auf einem Sonderweg, der eine Mischung des Radverkehrs mit den Fußgängern auf einer gemeinsamen Verkehrsfläche bewirkt, haben Radfahrer auf Fußgänger Rücksicht zu nehmen (vgl. OLG Köln VersR 2002, 1040; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 41 StVO Rz. 83 ff.). Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass kombinierte Fuß- und Radwege, die eine Benutzungspflicht für Radfahrer zur Folge haben, nur dann angelegt werden sollen, wenn dies nach den Belangen der Fußgänger, insb. der älteren Verkehrsteilnehmer und der Kinder, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. die Verwaltungsvorschrift zu den Zeichen 240 und 241 gemeinsamer bzw. getrennter Fuss- und Gehweg). Radfahrer haben demnach die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen.
Selbstverständlich haben auch Fußgänger auf Radfahrer Rücksicht zu nehmen und diesen die Möglichkeit zum Passieren zu geben; den Radfahrer treffen aber in erhöhtem Maße Sorgfaltspflichten. Insbesondere bei einer unklaren Verkehrslage muss ggf. per Blickkontakt eine Verständigung mit dem Fußgänger gesucht werden; soweit erforderlich, muss Schrittgeschwindigkeit gefahren werden, damit ein sofortiges Anhalten möglich ist. Auf betagte oder unachtsame Fußgänger muss der Radfahrer besondere Rücksicht nehmen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss er rechnen.
Diese Masstäbe gelten erst recht auf Gehwegen, die durch ein Zusatzschild für Radfahrer freigegeben sind. Das Zusatzschild "Radfahrer frei" eröffnet dem Radverkehr nur ein Benutzungsrecht auf dem Gehweg. Den Belangen der Fussgänger kommt in diesem Fall ein besonderes Gewicht zu; insb. darf der Radverkehr nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren (Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 239 Fussgänger).
Die von der Klage zitierte Vorschrift des § 25 Abs. 3 StVO, die das Überqueren von Fahrbahnen durch Fussgänger betrifft, ist hier hingegen nicht einschlägig. Es geht auch nicht um das Überqueren eines Radweges, für das die Grundsätze des § 25 StVO ebenfalls gelten.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das LG zutreffend entschieden, dass die Klägerin den Verkehrsunfall derart überwiegend verursacht hat, dass den Beklagten eine Mithaftung nicht trifft.
Das LG hat seine Feststellungen rechts- und verfahrensfehlerfrei auf die Aussage der Zeugin Z. gestützt, die den Fuß- und Radweg mit ihrem Fahrrad hinter der Klägerin befahren hat. Von der Richtigkeit der Angaben der Zeugin geht auch die Berufung aus. Soweit die Zeugin Angaben zu Entfernungen, Abständen, Geschwindigkeiten und zeitlichen Abläufen gemacht, diese Angaben aber teilweise auf Nachfragen relativiert hat, ist zu berücksichtigen, dass Zeugen derartige Schätzungen kaum präzise vornehmen können. Die Grundlage für eine sachverständige Unfallrekonstruktion ist deshalb nicht vorhanden. Etwaige auf Mängeln der Wahrnehmung oder dem zeitlichen Abstand zwischen Unfallgeschehen...