Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung Sachverständiger

 

Leitsatz (amtlich)

Die Durchführung des Ortstermins in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten einer Partei wegen missverständlicher Terminierung durch den Sachverständigen rechtfertigt seine Befangenheit jedenfalls dann, wenn der Sachverständige Kenntnis vom Grund des Ausbleibens hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 406 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Beschluss vom 09.10.2009)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Neubrandenburg vom 9.10.2009, durch welchen der Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen Dr. Dr. rer. nat. habil. J. S. zurückgewiesen worden ist, aufgehoben.

Das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen Dr. Dr. rer. nat. habil. J. S. wird für begründet erklärt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist statthaft, § 406 Abs. 5 ZPO, und zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Sie ist auch begründet, denn das Ablehnungsgesuch ist begründet.

Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen ist gem. §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit hat (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.4.2007 - 5 W 104/08, MDR 2007, 1279). Nicht erforderlich ist auch, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist, und ebenso unerheblich ist, ob er sich für befangen hält (BVerfG, Beschl. v. 2.12.1992, 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 17 ff.). Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Ausübung der Sachverständigentätigkeit zu rechtfertigen, sind (nur) objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. In Abgrenzung dazu scheiden rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers als Ablehnungsgrund aus (BGH, Beschl. v. 14.3.2003, IXa ZB 27/03, NJW-RR 2003, 1220 f. m.w.N.).

Allein die Auswahl des Sachverständigen durch das Gericht und seine eigene Einschätzung, für die Begutachtung hinsichtlich des Beweisthemas befähigt zu sein, rechtfertigen nicht die Annahme der Befangenheit. Insbesondere ist das Beweisthema, da es tiefgehende hydrogeologische Kenntnisse nicht erfordert, grundsätzlich von einem Sachverständigen für Baugrund- und Bodenmechanik zu bewältigen.

Auch die auf den Ortstermin vom 26.5.2009 folgenden Stellungnahmen des Sachverständigen, insbesondere die Annahme, die beklagtenseits geschilderten Beobachtungen seien solche des Geschäftsführers der Beklagten, rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme der Befangenheit, da es aufgrund der äußeren Umstände, insbesondere der Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten am Besichtigungsort nahe lag, dass dieser eigene Beobachtungen gemacht hatte.

Ebenso wenig ist die knappe Begutachtung durch den Sachverständigen geeignet, seine Befangenheit zu belegen. Insbesondere Fragen, die das Gutachten aus Sicht der Parteien noch offen lässt, können durch die Wahrnehmung der Parteirechte gem. § 411 Abs. 4 ZPO gestellt werden.

Das Verhalten des Sachverständigen beim Ortsbesichtigungstermin am 26.5.2009 ist allerdings geeignet, Misstrauen gegen seine Parteilichkeit zu rechtfertigen. Auch wenn es eine Parteilichkeit nicht mit Sicherheit belegt, ist es doch geeignet, die Bedenken der Beklagtenseite nach objektiven Maßstäben als begründet anzusehen. Allein die Tatsache, dass der Sachverständige sich zum Ortstermin am 26.5.2009 einfand, begründet noch keine Besorgnis seiner Voreingenommenheit. Allerdings hätte er auf die Durchführung des Ortstermins verzichten müssen, nachdem aufgrund des Telefonats der Parteivertreter nicht auszuschließen war, dass die Abwesenheit des Beklagtenvertreters auf dem Missverständnis beruhte, dass der Termin nur hätte stattfinden sollen, wenn der Beklagtenvertreter die Teilnahme seines Mandanten ausdrücklich bestätigte.

Der Sachverständige ist gehalten, zu Ortbesichtigungsterminen sämtliche Parteien des Rechtsstreits hinzuzuziehen (vgl. § 357 ZPO). Soweit das Verhalten des Beklagtenvertreters im Vorfeld des Ortsbesichtigungstermins als Versuch, das Verfahren zu verzögern, ausgelegt werden kann, rechtfertigt dies nicht das Verhalten des Sachverständigen. Dass ein Prozessbevollmächtigter auf die Bitte des Sachverständigen, einen Termin zu bestätigen, nicht reagiert, zwingt nicht zu der Annahme, dass er das Verfahren verzögern wolle, zumal die schriftliche Mitteilung der beiden möglichen Termine durch den Sachverständigen unverbindlich formuliert war. Es ist, auch unter Berücksichtigung des vor dem Termin gewechselten Schriftverkehrs, möglich, dass der Prozessbevollmächtigte tatsächlich davon ausging, dass der Termin nur durchgeführt würde, wenn er diesen noch einmal ausdrücklich bestätigte. Im Übrigen ist es aber auch nicht Aufgabe des Sachverständigen, das Verfahren - insbesondere...

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