Entscheidungsstichwort (Thema)
Freigabe von Gebäudeeigentum aus der Gesamtvollstreckungsmasse. Juristische Person. Insolvenzfreies Vermögen des Gemeinschuldners. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Nichtbestehen einer Erwerbsverpflichtung. Kein Vorrang des Sachenrechtsbereinigungsgeetzes. Freigabeerklärung keine faktische Enteignung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Insolvenzverwalter kann Gebäude, aus deren Verwertung ein Ertrag nicht zu erwarten ist, aus dem Insolvenzbeschlag freigeben, mit der Folge, dass die Gebäude in das insolvenzfreie Vermögen des Gemeinschuldners zurückfallen und dieser wieder die volle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis darüber zurückerlangt. Das gilt auch bei Insolvenz einer Handelsgesellschaft.
2. Die Grundstückseigentümerin kann den Insolvenzverwalter nicht auffordern, die zu den Gebäuden gehörende Grundstücksfläche von ihr zu erwerben. Die Regelungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes haben keinen Vorrang vor den insolvenzrechtlichen Vorschriften.
Normenkette
SachenRBG § 82 Abs. 1 Nr. 2; KO § 114; InsO § 32 Abs. 3; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4; GG Art. 14
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 26.05.1999; Aktenzeichen 6 O 593/98) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 26.05.1999 (Az.: 3/6 O 593/98) wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 5.200,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.
Die Beschwer der Beklagten beträgt 71.000,00 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Freigabe von Gebäudeeigentum aus der Gesamtvollstreckungsmasse zulässig ist, wenn der Grundstückseigentümer gem. § 82 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBG von dem Verwalter verlangt, die Fläche, auf der das Gebäude errichtet wurde, zu erwerben.
Die LPG (T) E. T. A.-P. hatte auf dem streitgegenständlichen Grundstück ein Trafohaus, zwei Silos, einen Rinderstall sowie eine Plattenstraße errichtet. Durch Umwandlung im Jahr 1990 entstand aus der LPG die Agrar Produkte A. P. e. G. Diese stellte 1992 die Nutzung des Rinderstalles und später auch der anderen Gebäude ein. Mit Beschluss vom 01.04.1997 wurde über das Vermögen der Agrar Produkte A. P. e. G. das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt. Die Beklagte wurde am 26.11.1997 im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstückes eingetragen.
Mit Schreiben vom 25.09.1998 (Anl. BK 4, Bl. 111 d.A.) forderte die Beklagte den Kläger auf, die zu den Gebäuden gehörende streitgegenständliche Grundstücksfläche von ihr zu erwerben. Sofern der Kläger von der Möglichkeit des § 82 Abs. 3 SachenRBG Gebrauch machen wolle, könne er die Gebäude bis zum 24.12.1998 auf eigene Kosten beseitigen lassen.
Mit Schreiben vom 06.10.1998 (Anl. K 6, Bl. 20 d.A.) kündigte der Kläger der Beklagten an, er werde negative Feststellungsklage erheben, wenn die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung festhalte.
Mit wechselseitigen Schreiben vom 15.10.1998 (Anl. K 7, Bl. 22 d.A.) und 21.10.1998 (Anl. K 8, Bl. 24 d.A.) hielten die Parteien an ihren gegensätzlichen Rechtsauffassungen fest.
Mit Schreiben vom 23.11.1998 (Anl. K 2, Bl. 7 d.A.) erklärte der Kläger gegenüber dem Liquidator der Gemeinschuldnerin wegen Unmöglichkeit der Verwertung und Belastung der Masse mit eventuellen Altlastenentsorgungskosten die Freigabe der Gebäude aus dem Insolvenzbeschlag.
Der Kläger hat geltend gemacht, sein Feststellungsinteresse sei darin begründet, dass sich die Beklagte eines Anspruches nach § 82 SachenRBG berühme.
Die Feststellungsklage sei begründet, denn nach Freigabe der Gebäude aus dem Insolvenzbeschlag sei der Gesamtvollstreckungsverwalter nicht (mehr) passivlegitimiert für eventuelle Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Ein Gesamtvollstreckungsverwalter sei berechtigt, sich objektbezogenen Verpflichtungen durch eine Freigabeerklärung zu entziehen, was in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt sei. Dies gelte auch für den Fall einer Insolvenz einer juristischen Person. Es komme deshalb nicht mehr darauf an, ob materiell-rechtlich Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz bestünden.
Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
- festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, die aus der Masse freigegebenen Gebäude abzureißen,
- festzustellen, dass er auch nicht verpflichtet ist, das streitgegenständliche Grundstück anzukaufen.
Die Beklagte hat neben der Klagabweisung ursprünglich widerklagend beantragt,
festzustellen, dass zu ihren Gunsten ein Andienungsrecht nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBG gegen die Masse besteht,
hilfsweise,
den Kläger zu verurteilen, die Beklagte von den Abrisskosten für die Gebäude freizustellen.
Der Kläger hat danach beantragt,
festzustellen, dass der Beklagten gegenüber dem Kläger keine Rechte nach § 82 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 SachenRBG zustehen, namentlich der Kläger nicht verpflichtet ist, die Bekl...