Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 18.07.2023; Aktenzeichen 4 O 158/22) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 18.07.2023, Az. 4 O 158/22, aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Sache wird an das Landgericht Tübingen - Kammer für Handelssachen - zur Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag des Antragstellers zurückgegeben.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Auf Antrag des Antragstellers erließ die 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen am 17.06.2022 unter dem Aktenzeichen 4 O 158/22 eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin verschiedene geschäftliche Handlungen untersagt wurden. Die Antragsgegnerin erhob gegen den Beschluss Widerspruch und beantragte die Abgabe des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen. Die 4. Zivilkammer verwies den Rechtsstreit daraufhin an die Kammer für Handelssachen. Dort nahm die Antragsgegnerin ihren Widerspruch zurück.
Am 16.06.2023 beantragte der Antragsteller zum Aktenzeichen 4 O 158/22 die Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen die Antragsgegnerin, weil diese gegen die einstweilige Verfügung verstoßen habe. Auf den Hinweis des Gerichts, dass das Verfahren an die Kammer für Handelssachen abgegeben worden sei, erklärte der Antragsteller, dass die Zivilkammer zur Entscheidung über die Zwangsvollstreckung berufen sei, weil diese den Vollstreckungstitel erlassen habe. Er rügte die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen und beantragte die Abgabe an die Zivilkammer.
Mit Beschluss vom 18.07.2023 wies die 4. Zivilkammer den Ordnungsmittelantrag des Antragstellers als unzulässig zurück. Der Antrag sei bei der Zivilkammer und damit beim unzuständigen Gericht gestellt, denn die Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen sei gem. § 102 Abs. 1 GVG bindend.
Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller am 20.07.2023 sofortige Beschwerde ein. Gegen die Schuldnerin sei aufgrund des zulässigen und begründeten Antrags ein entsprechendes Ordnungsmittel durch das angerufene Landgericht Tübingen als Prozessgericht festzusetzen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 793 ZPO statthaft und form- und fristgerecht gem. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung beim Beschwerdegericht eingelegt.
III. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg, soweit der Antragsteller mit der Beschwerde geltend macht, dass die 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen über seinen Ordnungsmittelantrag zu entscheiden hat. Sie hat jedoch insoweit Erfolg, als das Landgericht den Antrag nicht als unzulässig hätte zurückweisen dürfen.
1. Nicht richtig ist die Auffassung des Antragstellers, dass die 4. Zivilkammer für seinen Ordnungsmittelantrag zuständig gewesen wäre.
Gem. § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat über den Antrag eines Gläubigers auf Verhängung von Ordnungsmitteln das Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu entscheiden. Prozessgericht des ersten Rechtszugs ist das Gericht erster Instanz des Rechtsstreits, in dem der Titel geschaffen worden ist (BGH, NJW-RR 2011, 213, Rn. 10 mwN). Das ist nicht notwendigerweise die Kammer, die die Entscheidung erlassen hat, aus der vollstreckt werden soll, weil das Gesetz nur auf das Gericht als solches abstellt (RGZ 45, 343, 344). Welche Kammer über den Ordnungsmittelantrag zu befinden hat, bestimmt sich vielmehr nach der Geschäftsverteilung bzw. nach dem Gesetz, wenn ein besonderer Spruchkörper kraft Gesetzes über den Rechtsstreit zu entscheiden hat. Denn wenn einer Kammer insoweit eine eigene sachliche Zuständigkeit zukommt, dann ist diese Kammer auch für die Entscheidung über einen Ordnungsmittelantrag wegen einer in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung zuständig (vgl. BGH, NJW 1975, 829, zu § 767 Abs. 2 ZPO).
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist damit nicht die 4. Zivilkammer zuständig, die die einstweilige Verfügung erlassen hat, sondern die Kammer für Handelssachen, die gem. §§ 95 Abs. 1 Nr. 5, 98 Abs. 1, 101 GVG für das Verfahren zuständig war.
2. Gleichwohl durfte das Landgericht den Antrag des Antragstellers nicht als unzulässig zurückweisen, denn der Antragsteller hat den Antrag beim zuständigen Landgericht gestellt. Unzweifelhaft ist das Landgericht Tübingen das Prozessgericht erster Instanz und als solches für den Ordnungsmittelantrag des Antragstellers gem. § 890 Abs. 1 ZPO zuständig.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller ausdrücklich erklärt hat, dass nach seiner Auffassung die 4. Zivilkammer zur Entscheidung über die Zwangsvollstreckung berufen sei. Der Antragsteller bestimmt zwar, welches Gericht er anruft. Er bestimmt aber nicht, welche Kammer innerhalb des ang...