Leitsatz (amtlich)
Die Ablehnung eines Antrags auf ergänzende oder erläuternde schriftliche Begutachtung ist nicht beschwerdefähig, weil der entsprechenden Entscheidung des Gerichts kein Gesuch i.S.v. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zugrunde liegt (Aufgabe Rechtsprechung des Senats, Beschluss v. 02.01.2014 - 10 W 34/13).
Normenkette
ZPO § 412 Abs. 1, § 485 Abs. 3, § 567 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Aktenzeichen 11 OH 23/22) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 05.03.2024, Az. 11 OH 23/22, wird als unzulässig verworfen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Auf den Antrag der Antragstellerin vom 22.09.2022 hat das Landgericht Heilbronn mit Beschluss vom 31.10.2022 die Einholung mehrerer schriftlicher Sachverständigengutachten im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens angeordnet, unter anderem die Einholung eines Gutachtens hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit der Sole-Wärmepumpe bzw. der Heizkreisläufe im Wohngebäude L.
Unter dem 23.02.2023 hat Dr.-Ing. E. sein Gutachten und unter dem 15.01.2024 seine Ergänzung zum Gutachten aufgrund des Beweisbeschlusses vom 12.07.2023 erstattet.
Mit Schreiben vom 26.02.2024 hat die Antragstellerin zum Ergänzungsgutachten vom 15.01.2024 Stellung genommen und erneut Fragen, teils erläuternder, teils die Beweisfragen ergänzender Natur an den Sachverständigen aufgeworfen. Mit Beschluss vom 05.03.2024 hat das Landgericht dem Sachverständigen E. aufgegeben, die Fragen 1.3 (Regelung der Wohnbereiche UG/ Regelventile im UG), 1.4 (12 Heizkreise im OG?) 2.4 (Erläuterung Druckverlust, sinkend, erhöht) der Antragstellerin vom 26.2.2024 zu beantworten und die übrigen Ergänzungsfragen der Antragstellerin zum Ergänzungsgutachten E. zurückgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, das selbständige Beweisverfahren sei nicht dafür gedacht, sich über den Bauzustand als solchen und über mögliche Umbau-/Abhilfemöglichkeiten zu informieren. Ausforschungsfragen seien weder zulässig noch sei ihnen nachzugehen.
Gegen diesen ihr am 22.03.2024 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 05.04.2024 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 08.04.2024 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin i.S.v. § 567 Abs. 1 ZPO ist unzulässig und daher zu verwerfen. Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens, auch eines erläuternden oder eines Ergänzungsgutachtens, gemäß §§ 485 Abs. 3, 412 Abs. 1 ZPO ist im selbständigen Beweisverfahren kein Rechtsmittel gegeben.
1. Gemäß § 567 Abs. 1 findet die sofortige Beschwerde statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Nr. 1) - was vorliegend nicht der Fall ist - oder es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (Nr. 2). Die im selbständigen Beweisverfahren nach §§ 485 Abs. 3, 412 Abs. 1 ZPO zu treffende Entscheidung, ob eine ergänzende oder erläuternde Begutachtung durch den Sachverständigen anzuordnen ist, wird von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht erfasst, weil der Entscheidung kein "Gesuch" i.S.v. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zugrunde liegt:
a) Dabei entspricht es einhelliger Meinung, dass unter dem Tatbestandsmerkmal "Gesuch" nur ein förmlicher Antrag zu verstehen ist und eine Anregung der Partei demgegenüber nicht genügt. Die Parteien sollen nicht die gesamte Amtstätigkeit des Gerichts einer Beschwerde zugänglich machen können. Deshalb ist dem Antragsteller die Beschwerde versagt, wenn die angefochtene Entscheidung ohne die Notwendigkeit eines Antrags von Amts wegen ergehen kann (BGH, Beschluss v. 29.11.2016 - VI ZB 23/16 - juris, Rn. 9).
b) Insoweit hat der Senat mit Beschluss v. 23.09.2010 - 10 W 39/10 unter Bezugnahme auf die Grundsatzentscheidung des BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - VI ZB 59/09 - entschieden, dass in den Fällen, in denen der Antragsgegner im selbstständigen Beweisverfahren nach bereits erfolgter Beweiserhebung eine Begutachtung zu einem Gegenantrag verlangt, um das Ergebnis der bisherigen Begutachtung zu erschüttern, das Rechtsmittel der Beschwerde nicht statthaft ist. Denn hierüber habe das Gericht gemäß §§ 485 Abs. 3, 412 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden, es handele sich um eine Ermessensentscheidung. Der BGH begründet die Ablehnung der Beschwerdemöglichkeit (formell) auch damit, dass die Beweismöglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich nicht weiter als im Hauptsacheverfahren gingen. Im Erkenntnisverfahren sei gegen die Ablehnung der Einholung eines neuen Gutachtens grundsätzlich kein Rechtsmittel gegeben. Nach § 492 ZPO folge di...