Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung bei Verteilung nahezu sämtlicher Vermögensgegenstände

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die letztwillige Verfügung eines Erblassers, der nach ausdrücklichem Widerruf einer früheren gleichteiligen Erbeinsetzung seiner Kinder diese ohne Nennung einer Quote zu Erben beruft und dabei nahezu sein ganzes Vermögen einzeln mit unterschiedlichen Werten auf sie verteilt, ist als Erbeinsetzung im Verhältnis der jeweils zugewandten Vermögenswerte zum Gesamtnachlass im Zeitpunkt des Erbfalls verbunden mit einer Teilungsanordnung auf dieser Basis auszulegen.

2. Die so getroffene Erbeinsetzung wird nicht dadurch hinfällig, dass die verteilten Vermögensge-genstände sich nicht im Alleineigentum des Erblassers befanden, sondern im Rahmen einer nicht auseinandergesetzten Gütergemeinschaft bzw. einer ungeteilten Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebun-den waren, wenn eine dingliche Berechtigung des Erblassers an den Vermögensgegenständen bestand. Abgrenzung BayObLG 14.12.2001 1Z BRH 1/01 So auch OLG Düsseldorf 19.07.2013 I-3 Wx 56/13, 3 Wx 56/13

 

Normenkette

BGB §§ 2087, 2048, 2084, 2091

 

Verfahrensgang

Notariat Herrenberg (Beschluss vom 03.05.2016; Aktenzeichen 1 NG 15/2014)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2 wird der Beschluss des Notariats I Herrenberg - Nachlassgericht - vom 03.05.2016, Az. 1 NG 15/2014,

aufgehoben.

2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 vom 25.11.2015 wird

zurückgewiesen.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2

zurückgewiesen.

4. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

5. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 131.125,01 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 02.03.2014 verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann XXX ist am 22.02.2011 vorverstorben. Aus der Ehe sind die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 als Abkömmlinge hervorgegangen.

Die Erblasserin hat am 28.04.2011 vor Notar XXX, Notariat Herrenberg, ein Testament errichtet (Bl. 10 d.A.), durch das sie ihre Kinder - die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 - mit einem Erbteil von je 1/3 zu ihren Erben berufen hat.

Am 28.08.2012 hat die Erblasserin ein privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt errichtet (Bl. 12 d.A.):

Testament

Mein letzter Wille

Ich XXX

Rentnerin, wohnhaft XXX

geb. am XXX

Die beglaubigte Abschrift im Notariat Herrenberg/Urkundenrolle 1 UR 259/2011 Aktenzeichen 1 ZU 287/2011 verliert hiermit seine Gültigkeit.

Zu meinen Erben berufe ich meine Kinder

1. Meine Tochter Frau XXX wohnhaft XXX geb. am XXX

XXX soll folgende Flurstücke XXX erben.

Flurstücknummern: 402, 403, 1357, 1358, 1359, 1567, 1568, 2720, 2953, 2955, 3009/3, 3012, 3013/1, 3012/2, 3014

2. Mein Sohn XXX wohnhaft XXX geb. am XXX

XXX soll die Hälfte am Grundstück Schatten 3, Flurstück 762/2 samt Gebäude und Inventar sowie folgende Flurstücke auf Gemarkung 081640 Flur 1 XXX Flurstücknummern 134, 1205, 1287, 1288, 1533, 1617, und Gemarkung 081644 XXX Flurstücknummern 1586, 1617/2, 1617/3, 4106, 4241, 4912, erben.

3. Mein Sohn XXX wohnhaft XXX geb. XXX

Erich soll die Hälfte am Grundstück Schatten 3 Flurstück 762/2 samt Gebäude und Inventar, sowie folgende Flurstücke auf Gemarkung 081640 Flur 1 XXX Flurstücknummern 669, 670, 671, 1179, 1199, 1200, 1338, 1456 und Gemarkung 081644 XXX erben.

Das Barvermögen soll zu einem Drittel je Kind verteilt werden.

XXX den 28.8.2012

XXX

Durch Schriftsatz an das Notariat I Herrenberg - Nachlassgericht - vom 23.07.2015 haben die Beteiligten Ziff. 1 und 2 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Beteiligte Ziff. 3 mit einem Erbteil von 16,12 %, der Beteiligte Ziff. 1 mit einem Erbteil von 42,41 % und der Beteiligte Ziff. 2 mit einem Erbteil von 41,47 % Erben der Erblasserin geworden sind. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Erblasserin habe ihr notarielles Testament vom 28.04.2011 durch das eigenhändige Testament vom 28.08.2012 in vollem Umfang aufgehoben. Aufgehoben habe sie damit insbesondere die Erbeinsetzung der drei Kinder zu je einem Drittel. Denn dies sei der einzige wesentliche Inhalt des notariellen Testaments vom 28.04.2011 gewesen. Durch das eigenhändige Testament vom 28.08.2012 habe die Erblasserin praktisch ihr gesamtes Vermögen nach Gegenständen unter ihren drei Kindern aufgeteilt. Ein solches Vorgehen sei nach der Rechtsprechung entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB regelmäßig als Erbeinsetzung anzusehen. Die jeweiligen Erbquoten ergäben sich dann aus dem Verhältnis des Wertes der zugewendeten Vermögensteile zum Wert des gesamten Nachlasses. Die Auslegungsregel des § 2091 BGB sei nicht anwendbar, wenn der Erblasser die Größe der Erbteile ausdrücklich oder mittelbar bestimmt habe. Die ausdrückliche Bestimmung im eigenhändigen Testament, dass das Barvermögen zu einem Drittel je Kind verteilt werden solle, zeige ebenfalls, dass es der Erblasserin auf die Verteilung ihres gesamten Vermögens angekommen sei und sie bezüglich der im Einzelnen zugeordneten Grundstücke keinen Ausgleich zwischen den Kindern...

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