Leitsatz (amtlich)
1. Um eine mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichbehandlung des nichtehelichen Vaters mit einem mit der Kindsmutter verheirateten oder von ihr geschiedenen Vater auszuschließen und dem Elternrecht des leiblichen Vaters gerecht zu werden, darf gem. § 1748 Abs. 4 BGB die Einwilligung des Vaters nur dann ersetzt werden, wenn bei Unterbleiben der Adoption ein ggü. den zu schützenden Interessen des Vaters besonders großer Nachteil für das Kindeswohl eintreten würde. Insoweit kann auf die zum Begriff des unverhältnismäßigen Nachteils in § 1748 Abs. 1 BGB entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden (Anschluss BayObLG FamRZ 2002, 486 = NJW-RR 2002, 433; Abweichung zu OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 573).
2. Ein eigener Verfahrenspfleger für das Kind ist nicht erforderlich i.S.d. § 50 Abs. 1, Abs. 3 FGG, wenn seine Interessenwahrung anderweitig - z.B. durch das Jugendamt - sichergestellt ist.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Beschluss vom 30.07.2004; Aktenzeichen 2 T 16/03) |
AG Biberach (Aktenzeichen 8-XVI 5/02) |
Tenor
1. Die sofortige weitere Beschwerde des leiblichen Vaters gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Ravensburg v. 30.7.2004 wird zurückgewiesen.
2. Der leibliche Vater hat den Annehmenden die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
3. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Das Kind L. wurde am 20.11.1997 als nichteheliches Kind von W. und M. geboren. Bereits fünf Tage nach seiner Geburt kam das Kind zum Ehepaar H. zur Pflege. Die leibliche Mutter behielt das alleinige Sorgerecht für das Kind.
Bezüglich früherer Verfahren wegen einer Verbleibensanordnung in der Pflegefamilie und insb. zur Regelung der Umgangsrechte, der Beteiligung des leiblichen Vaters des Kindes an diesen Verfahren und die Probleme bei der Umsetzung der Umgangsrechte wird auf Ziff. 1. der Gründe des Beschlusses des AG - VormG - Biberach v. 17.3.2003 verwiesen. Der letzte Umgangstermin mit den leiblichen Eltern des Kindes fand am 23.4.2002 statt.
Nachdem die leibliche Mutter am 6.2.2002 in dem Verfahren wegen der Regelung des Umgangsrechts mit dem Kind L. erklärt hatte, dass sie sich eine Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern vorstellen könne (Bl. 275 d.A. des AG Biberach - 2 F 776/00 (UG)), stellten die Pflegeeltern, die bereits ihre Tochter Mi., geboren am 6.12.1993, am 20.7.1995 adoptiert haben, am 9.9.2002 einen notariell beurkundeten Adoptionsantrag. Am gleichen Tag hat die Mutter ihre Einwilligung in der erforderlichen notariellen Form gegeben. Damit wurde gem. § 1751 Abs. 1 BGB das Kreisjugendamt Biberach, dort Frau G., Vormund des Kindes, was durch Beschluss des AG - VormG - Biberach v. 30.9.2002, AZ: 8-XVI 5/2002 (AG Biberach, Beschl. v. 30.9.2002 - 8-XVI 5/2002), festgestellt wurde.
Mit Schreiben v. 21.9.2002 widersprach der leibliche Vater des Kindes der Adoption. Am 18.10.2002 wurden die Einwilligung zur Adoption und der Antrag auf Ersetzung der Einwilligung des Vaters M. zur Adoption notariell beurkundet. Beide Erklärungen hat Frau G. vom Kreisjugendamt Biberach als Vormund des Kindes L. abgegeben.
Nach Anhörung des Kindes L. durch das VormG am 20.1.2003, nach Anhörung beider Annehmenden am selben Tag, der Anhörung des leiblichen Vaters am 27.1.2003 und der leiblichen Mutter am 10.2.2003 ersetzte das AG - VormG - Biberach mit Beschl. v. 17.3.2003 die Einwilligung des leiblichen Vaters gem. § 1748 Abs. 4 BGB. Eine gravierende Pflichtverletzung oder Gleichgültigkeit ggü. dem Kind sowie ein schweres Versagen i.S.v. § 1748 Abs. 1 BGB seien nicht zu erkennen. Bei umfassender Abwägung der Kindes- und Elterninteressen wäre aber das Unterbleiben der Annahme als Kind dem Kind L. unverhältnismäßig nachteilig.
Mit der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des AG äußerte der leibliche Vater des Kindes verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 1748 Abs. 4 BGB. Er rügte weiter, vor der Entscheidung durch das AG sei keine sachverständige Begutachtung zu der Erforderlichkeit einer Adoption und der Frage des Eintritts eines unverhältnismäßigen Nachteils für das Kind im Fall des Unterbleibens der Adoption eingeholt worden. Er habe weiterhin als leiblicher Vater ein großes Interesse, dass L. ihre rechtliche Abstammung von ihm nicht verliere und er einen Rechtsanspruch auf Umgang mit ihr behalte bzw. erhalte. Mit einem Aufwachsen seines Kindes in der Pflegefamilie sei er bis auf weiteres einverstanden, um das Kindeswohl nicht zu gefährden. Da er sich immer korrekt verhalten habe, könne ihm die Vaterschaft nicht durch eine Adoption genommen werden.
Mit Schreiben v. 2.5.2003 nahm das Kreisjugendamt des Landratsamts Biberach als Vormund von L. zum Adoptionsverfahren Stellung und wies darauf hin, dass das Kind neben der Zuwendung und Geborgenheit "ihrer" Familie auch die Sicherheit benötige, dort bleiben zu können. Aufgrund eines Beweisbeschlusses des LG Ravensburg v. 23.10.2003 legte der Sachverständige Dr. Go. am 12.5.2004 sein Guta...