Leitsatz (amtlich)

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gem. Art. 267 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 AEUV zur Auslegung von Art. 7 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Voll-streckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-Verordnung) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist ein bei isolierter Betrachtung und autonomer Interpretation deliktischer Anspruch bereits dann als vertraglicher Anspruch gemäß Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO zu qualifizieren, wenn der deliktische Anspruch irgendwie mit einem vertraglichen Anspruch konkurriert, ohne dass es für die Existenz des deliktischen An-spruchs auf die Auslegung des Vertrages ankäme? 2. Für den Fall der Verneinung von Frage 1: Wo ist der Erfolgsort im Sinne des Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zu lokalisieren, wenn ein Anbieter von Zahlungsdienstleistungen vom Konto eines Kunden elektronisches Geld auf das Empfangskonto eines Glücksspielunternehmens bei dem gleichen Zahlungsdienstleister überweist und in der Mitwirkung des Zahlungsdienstleisters an Zahlungen zu Gunsten des Glücksspielunternehmens eventuell eine unerlaubte Handlung zu erblicken ist?

 

Normenkette

Brüssel Ia-VO Art. 7 Nrn. 1-2; GlüStV § 4 Abs. 1; Zahlungsdiensterichtlinie Richtlinie (EU) 2015/2366 Art. 4 Nr. 21

 

Verfahrensgang

LG Ulm (Urteil vom 16.12.2019; Aktenzeichen 4 O 202/18)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gem. Art. 267 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 AEUV zur Auslegung von Art. 7 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-Verordnung) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist ein bei isolierter Betrachtung und autonomer Interpretation deliktischer Anspruch bereits dann als vertraglicher Anspruch gemäß Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO zu qualifizieren, wenn der deliktische Anspruch irgendwie mit einem vertraglichen Anspruch konkurriert, ohne dass es für die Existenz des deliktischen Anspruchs auf die Auslegung des Vertrages ankäme?

2. Für den Fall der Verneinung von Frage 1: Wo ist der Erfolgsort im Sinne des Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO zu lokalisieren, wenn ein Anbieter von Zahlungsdienstleistungen vom Konto eines Kunden elektronisches Geld auf das Empfangskonto eines Glücksspielunternehmens bei dem gleichen Zahlungsdienstleister überweist und in der Mitwirkung des Zahlungsdienstleisters an Zahlungen zu Gunsten des Glücksspielunternehmens eventuell eine unerlaubte Handlung zu erblicken ist:

2.1 Am Sitz des Zahlungsdienstleisters als Ort der E-Geld-Transaktion?

2.2 An dem Ort, an dem aufgrund der Transaktion (jedenfalls bei Rechtmäßigkeit der Transaktion) ein Aufwendungsersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Kunden entsteht, der die Zahlung angewiesen hat?

2.3 An dem Ort, an dem der Kunde, der die Zahlung angewiesen hat, seinen Wohnsitz hat?

2.4 An dem Ort, an dem das Bankkonto des Kunden belegen ist, auf welches der Zahlungsdienstleister durch eine Einziehungsermächtigung zugreifen kann, um das E-Geld-Konto aufzuladen?

2.5 An dem Ort, an dem das auf das Wettkonto des Spielers bei den Glücksspielunternehmen durch den Zahlungsdienstleister überwiesene Geld beim Glücksspiel verloren geht, also am Sitz des Glücksspielunternehmens?

2.6 An dem Ort, an dem der Kunde das verbotene Glücksspiel vornimmt (sofern der Spielort zugleich der Wohnsitz des Kunden ist)?

2.7 An keinem dieser Orte?

2.8 Sofern Frage 2.2 bejaht wird und es auf den Ort ankommt, an dem aufgrund der Transaktion ein Aufwendungsersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Kunden entsteht: Wo entsteht der Aufwendungsersatzanspruch gegen den die Zahlung anweisenden Kunden? Kann für die Lokalisierung dieser Obligation der Erfüllungsort des Zahlungsdiensterahmenvertrags oder der Wohnsitz des Schuldners herangezogen werden?

 

Gründe

Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens ist die Frage, vor welchen Gerichten Ansprüche gegen einen Zahlungsdienstleiser wegen der Mitwirkung an Online-Glücksspiel geltend gemacht werden können.

I. Sachverhalt und Prozessverlauf

Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat seinen Wohnsitz in Deutschland und verlangt von der Beklagten die Erstattung von Zahlungen in Höhe von insgesamt 9.662,23 EUR, die er bei der Beklagten zwischen dem 23.6.2017 und dem 15.8.2017 an verschiedene Online-Glücksspieleanbieter mit Sitz in Malta und Gibraltar in Auftrag gegeben hatte. Die Beklagte hat ihren Geschäftssitz in Luxemburg und bietet Zahlungsdienstleistungen über das Internet an. Sie führte die vom Kläger in Auftrag gegebenen Zahlungen aus und zog die Beträge vom Girokonto des Klägers bei dessen Bank in ... (Baden-Württemberg, Deutschland) ein, soweit der überwiesene Betrag höher war als der auf dem E-...

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