Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Bagatellgrenze bei beiderseitig vorhandenen Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Die auf Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung beruhenden Anrechte sind im Hinblick auf die Geringfügigkeitsgrenze (§ 18 Abs. 2 VersAusglG) getrennt zu behandeln. Eine Saldierung findet nicht statt, wenn das Anrecht eines Ehegatten diese Grenze nicht überschreitet und sonstige Umstände die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht rechtfertigen.
Normenkette
VersAusglG § 18 Abs. 2-3
Verfahrensgang
AG Heilbronn (Beschluss vom 17.03.2010; Aktenzeichen 4 F 2067/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Heilbronn vom 17.3.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 1.140 EUR
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 23.7.2004 geheiratet, der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 13.10.2009 zugestellt. Während der danach vom 1.7.2004 bis 30.9.2009 dauernden Ehezeit haben Versorgungsanrechte in folgender auszugleichender Höhe erworben:
der Antragsteller
bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg i.H.v. 4.5157 EP und einem Ausgleichswert von 2,2579 EP,
die Antragsgegnerin
bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe
von 0.6188 EP und einem Ausgleichswert von 0,3094 EP.
Das Familiengericht hat auf die Antragsgegnerin 2,2579 EP übertragen und festgestellt, dass hinsichtlich der von der Antragsgegnerin während der Ehezeit erworbenen 0,6188 EP der Versorgungsausgleich wegen der Geringfügigkeit des Ausgleichsbetrags nicht stattfindet.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu seinen Gunsten mit 0,3094 EP erstrebt.
Die Antragsgegnerin verteidigt die familiengerichtliche Entscheidung und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
1. Nach §§ 1 Abs. 1 und 2, 10 Abs. 1 VersAusglG sind im Wege der internen Teilung die von dem Antragsteller und der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Versorgungsanrechte jeweils zur Hälfte auf den jeweils anderen Beteiligten zu übertragen. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs durch Saldierung bleibt dem Versorgungsträger vorbehalten (§ 10 Abs. 2 VersAusglG).
2. Die Einbeziehung der Versorgungsanrechte der Antragsgegnerin in den Versorgungsausgleich ist nicht durch § 18 Abs. 1, 3 VersAusglG ausgeschlossen.
§ 18 Abs. 1 VersAusglG stellt nicht auf die erworbenen Anrechte, sondern auf den Ausgleichsbetrag ab. Deshalb kann insoweit dahingestellt bleiben, ob es sich bei den von der Antragsgegnerin erworbenen Versorgungsanrechten um geringfügige Anrechte handelt. Denn der Ausgleichsbetrag ist nicht geringfügig: 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt
2.555 EUR × 1 % = 25,55 EUR.
Die zu übertragenden Entgeltpunkte führen zu einem Rentenbetrag von
1,9485 EP × 27,20 EUR (aktueller Rentenwert 2. Halbjahr 2009) = 53 EUR
und übersteigt damit die Geringfügigkeitsschwelle um mehr als das Doppelte. An der Überschreitung der Geringfügigkeitsschwelle würde sich auch durch die Einbeziehung der von der Antragsgegnerin erworbenen Anrechte nichts ändern (so wohl OLG Celle, Beschl. v. 4.3.2010 - 10 UF 282/08, juris [20]).
3. Allerdings ist der Versorgungsausgleich hinsichtlich der von der Antragsgegnerin während der Ehezeit erworbenen 0,6188 EP wegen Geringfügigkeit nicht durchzuführen.
Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Der Ausgleichswert beträgt 0,3094 EP × 27,20 EUR = 8,42 EUR und beläuft sich damit auf etwa 1/3 der Geringfügigkeitsschwelle von 25,55 EUR.
Nach dem Wortlaut der Regelung ("soll") und den Gesetzesmotiven, wonach "vom Ausgleich einzelner Anrechte mit geringem Ausgleichswert grundsätzlich abzusehen [ist]" (BT-Drucks. 16/10144, 61; BT-Drucks. 16/11903, 55), bedarf es für den Ausgleich der Anrechte der Antragsgegnerin Ausnahmegesichtspunkte, die eine Durchführung des Versorgungsausgleichs rechtfertigen (dazu Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl. Rz. 585). Solche hat der Antragsteller nicht dargelegt, sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
Insbesondere die "versorgungswirtschaftliche" Lage der Beteiligten rechtfertigt kein Abweichen von der gesetzlichen Regelung: Die Antragsgegnerin hat bislang zum Ehezeitende eine Anwartschaft auf eine Rente von 207,63 EUR (Bl. 24 VA), der Antragsteller hat eine solche von 310,31 EUR (Bl. 14 VA) erworben. Die Versicherungsverläufe der beiden Beteiligten zeigen, dass der Antragsteller zudem nicht unwesentlich mehr verdient als die Antragsgegnerin und deshalb aktuell wie auch zukünftig mehr Rentenanwartschaften erwerben wird als die Antragsgegnerin.
Eine ...