Leitsatz (amtlich)
Überlässt der Versicherungsnehmer als Prozesspartei seinem Haftpflichtversicherer, der selbst nicht als Partei am Rechtsstreit beteiligt ist, die Prozessführung und beauftragt dieser seinen "Hausanwalt", der weder am Sitz des Gerichts noch am Wohn- oder Geschäftsort des Versicherungsnehmers ansässig ist, sind die dadurch entstandenen höheren Reisekosten nicht erstattungsfähig.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 07.03.2011; Aktenzeichen 20 O 68/09) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Tübingen vom 7.3.2011 - 20 O 68/09, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 303,90 EUR
Gründe
1. Aufgrund des Urteils des LG Tübingen vom 7.2.2011 hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme derjenigen der Nebenintervenientin zu tragen.
Dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten über 1.738,90 EUR wurde mit Beschluss vom 7.3.2011 i.H.v. 1.435 EUR entsprochen. Die Differenz resultiert aus den Kosten eines zur Terminswahrnehmung beauftragten Unterbevollmächtigten, ersatzweise aus den fiktiven Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten mit Kanzleisitz in ... für die Wahrnehmung von zwei Terminen. Insoweit hat die Rechtspflegerin lediglich fiktive Reisekosten eines am Geschäftsort der Partei in ... ansässigen Rechtsanwalts als erstattungsfähig angesehen.
Wegen der Differenz hat die Beklagte gegen die am 21.3.2011 zugestellte Entscheidung am 28./31.3.2011 durch ihren Prozessbevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerin ist dem Rechtsmittel - wie bereits dem Kostenfestsetzungsantrag - entgegengetreten. Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten, die durch die Beauftragung einer ... Kanzlei entstanden sind.
Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG), jedoch in der Sache nicht begründet.
Die von der Rechtspflegerin in Ansatz gebrachten fiktiven Reisekosten gem. Nr. 7003 RVG-VV für die Fahrten von ... nach ... und zurück zzgl. Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 RVG-VV) sind nicht zu beanstanden.
Der BGH hat wiederholt entschieden, dass die Reisekosten eines an einem dritten Ort, der weder der Gerichtsort noch der Wohn- oder Geschäftssitz der Partei ist, ansässigen Prozessbevollmächtigten bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig sind, wenn dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre (BGH NJW-RR 2004, 855; BGH AGS 2004, 260). Nach der Entscheidung des BGH vom 16.10.2002 (NJW 2003, 898; vgl. auch BGH NJW-RR 2004, 430 zum sog. "Outsourcing" sowie BGH VersR 2006, 1089 und BGH NJW 2006, 3008) ist die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftssitz der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO anzusehen.
Dagegen ist die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines "Hausanwalts" am dritten Ort der BGH-Rechtsprechung nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der BGH in seinem Beschl. v. 11.3.2004 - VII ZB 27/03 (MDR 2004, 838) festgestellt, dass die Reisekosten eines weder am Gerichtsort noch am Geschäfts- oder Wohnsitz der Prozesspartei ansässigen Verfahrensbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung nur insoweit zu erstatten sind, als sie sich im Rahmen der Reisekosten halten, die angefallen wären, wenn die Partei einen Prozessbevollmächtigten nicht am dritten Ort, sondern entweder am Gerichtsort oder an ihrem Geschäfts-/Wohnsitz beauftragt hätte.
Auch in seinen neueren Entscheidungen (Beschl. v. 23.1.2007 - I ZB 42/06, NJW-RR 2007, 1561; Beschl. v. 2.10.2008 - I ZB 96/07, NJW-RR 2009, 556) hält der BGH an seiner restriktiven Rechtsprechung fest und betont nochmals, dass regelmäßig Reisekosten eines "Rechtsanwalts am dritten Ort" nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten zu erstatten sind.
Gründe, die es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen, dass die Beschwerdeführerin die erheblich höheren Kosten eines "Rechtsanwalts am dritten Ort" erstattet verlangen kann, liegen nicht vor und können auch der Beschwerdebegründung vom 28.3.2011 nicht entnommen werden.
Zwar hat der BGH festgestellt, dass dann, wenn ein bundesweit tätiger Versicherer nach endgültiger Leistungsablehnung seine Akten einem Rechtsanwalt überlässt, der auf Grund ständiger Geschäftsbeziehungen derartige Verfahren weiter bearbeitet ("Hausanwalt"), der unterliegende Prozessgegner diese Betriebsorganisation hinzunehmen und etwaige (fiktive) Reisekosten des bevollmächtigten Hausanwalts als notwendige Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (sog. "Outsourcing": BGH NJ...