Leitsatz (amtlich)

1. Ein Auftraggeber kann eine Werkleistung abnehmen, obwohl wesentliche Restleistungen fehlen oder wesentliche Mängel vorhanden sind. Der Auftragnehmer ist dann berechtigt, die gesamte abgenommene Leistung in Rechnung zu stellen.

2. Erstellt der Auftraggeber gem. § 14 Nr. 4 VOB/B die Schlussrechnung, muss diese für den Auftragnehmer prüfbar sein. Allerdings ist auch hier die Prüfbarkeit der Schlussrechnung eines Auftraggebers kein Selbstzweck. Sie muss dem Auftragnehmer nur eine abschließende und sachgerechte Klärung des Werklohnanspruchs aus dem Einheitspreisvertrag ermöglichen. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen, die der BGH zur Prüfbarkeit der Schlussrechnung eines Auftragnehmers angestellt hat.

3. Der Auftragnehmer kann gegen eine Schlussrechnung des Auftraggebers nicht die fehlende Prüfbarkeit wegen Fehlens eines Aufmaßes des Auftraggebers einwenden, wenn der Auftraggeber in seine Schlussrechnung die vom Auftragnehmer in seiner letzten Abschlagsrechnung zugrunde gelegten Massen übernimmt und nach dieser Abschlagsrechnung keine Leistungen des Auftragnehmers mehr erbracht wurden.

4. Ist in AGB des Auftraggebers (hier: Nr. 26 und 28 KEVM (B) ZVB) näher bestimmt, wie die Grundlagen für die Abrechnung zu ermitteln sind, welchen Förmlichkeiten diese Grundlagen entsprechen müssen und wie die Rechnungen zu gestalten und zu bezeichnen sind, liegen ohne andere Anhaltspunkte lediglich eine Prüfung erleichternde Ordnungsvorschriften zu Form, Aufbau und Darstellungsmittel der Abrechnung vor, die den Maßstab der Prüfbarkeit einer Abrechnung nicht verschieben.

5. Ein Verhandeln über eine Mängelbeseitigung stellt nicht ohne weiteres auch ein verjährungshemmendes Verhandeln über den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers dar, weil die Zielrichtung der Verhandlungen insoweit unterschiedlich ist und verschiedene Gläubigerinteressen betrifft.

 

Normenkette

BGB §§ 640, 305, 305c Abs. 2, § 203; VOB/B §§ 12, 14 Nrn. 4, 1 S. 1, § 16 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 27.09.2012; Aktenzeichen 3 O 256/11)

BGH (Aktenzeichen VII ZR 99/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Ravensburg vom 27.9.2012 - 3 O 256/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer.

3. Das Urteil erster Instanz ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Das Berufungsurteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung aus dem Berufungsurteil durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Berufungsstreitwert: 104.272,58 EUR

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt eine Restwerklohnforderung für Bauleistungen am M.-Gymnasium in T..

Die förmliche Abnahme des Werks der Klägerin am Gebäudeteil "Anbau Süd" erfolgte am 15.11.2002 und die förmliche Abnahme für den Gebäudeanteil "Anbau Nord" am 26.6.2003, wobei jeweils Mängelvorbehalte ausgesprochen wurden. Nach der fruchtlosen Aufforderung mit Schreiben vom 18.12.2003, bis zum 31.1.2004 eine prüfbare Schlussrechnung einzureichen, überprüften die Streithelfer, Architekten der Beklagten, unter dem 9.6.2004 die 9. Abschlagsrechnung der Klägerin vom 17.6.2003 und ersetzten die Überschrift durch die Worte "Ermittlung der Schlusszahlungssumme". Eine weitere Anlage lautete "Zahlungsfreigabe zur Schlussrechnung". Diese Schriftstücke übersandte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23.6.2004, das den Betreff "Schlusszahlung gem. § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B" enthielt. Nach Einspruch gegen die Berechnung der Schlussrechnungssumme und Vergleichsgesprächen im Jahr 2007 erstellte die Klägerin am 9.9.2009 eine Schlussrechnung und verlangt die Zahlung des danach noch offenen Saldos i.H.v. 104.272,58 EUR. Nachdem eine Zahlung nicht erfolgte, beantragte die Klägerin am 27.12.2010 einen Mahnbescheid, der am 4.1.2011 erlassen und gegen den Widerspruch eingelegt wurde. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Ravensburg vom 27.9.2012 - 3 O 256/11, verwiesen.

Mit diesem Urteil hat das LG Ravensburg die Klage abgewiesen, weil die Klagforderung mit Ablauf des 31.12.2006, spätestens vor Erhebung der Klage, verjährt sei und die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben habe. Die Parteien hätten die Geltung der VOB/B in der Fassung aus dem Jahr 2000 vereinbart. Die Klagforderung sei im Lauf des Jahrs 2004 fällig geworden. Die Abnahme sei am 15.11.2002 und am 26.6.2003 erfolgt. Die Übersendung des Schreibens der Stadtverwaltung der Beklagten vom 23.6.2004 nebst Anlagen sei als Übersendung einer Schlussrechnung im Sinne der VOB/B anzusehen, auch wenn die "Ermittlung der Schlusszahlungssumme" nicht als "Schlussrechnung" bezeichnet worden sei. Auf die Wirksamkeit des § 16 Nr. 3 Abs. 2 bis 5 VOB/B komme es nicht an, weil es ...

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