Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsrecht: Privatgutachten der Versicherung und Erstattungsfähigkeit der Kosten. Privatgutachten der Versicherung. Leistung einer Berufsunfähigkeitsrente. Kostenfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
Das von einer Versicherung vorgerichtlich eingeholte Privatgutachten gehört dann nicht zu den erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits, wenn es zur Prüfung der Einstandspflicht (wegen Berufsunfähigkeit) gemäß Versicherungsbedingungen auf Kosten der Versicherung eingeholt wurde; daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Gutachten nach Ablehnung der Leistungspflicht im nachfolgenden Deckungsprozess Bedeutung erlangt.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; VVG § 185
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 22 O 201/00) |
Gründe
1. Im Rechtsstreit auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente hat der Versicherungsnehmer mit der Klage das psychiatrische Fachgutachten vorgelegt, das die beklagte Versicherung vorgerichtlich in Auftrag gegeben und zur Begründung ihrer Leistungsablehnung dem Kläger mitgeteilt hatte. Der Kläger hielt dieses Gutachten im Ergebnis für unzutreffend und beantragte die Einholung eines Obergutachtens. Der Rechtsstreit endete im 1. Termin durch Vergleich, durch den der zugrunde liegende Versicherungsvertrag gegen eine einmalige Zahlung aufgehoben wurde; von den Kosten des Rechtsstreits übernahmen der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10.
Der Rechtspfleger hat diese Sachverständigenkosten (von über 2000 DM) als notwendige Kosten der Rechtsverteidigung (anteilig) für erstattungsfähig erachtet, weil das in den Rechtsstreit eingeführte Gutachten für die Verfahrensbeendigung „ebenfalls eine Rolle mitgespielt haben …dürfte”. Dagegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde unter Hinweis auf die Versicherungsbedingungen.
2. Das zulässige Kostenrechtsmittel des Klägers hat in der Sache Erfolg.
Zwar sind vorgerichtlich eingeholte Privatgutachten nach gefestigter Senatsrechtsprechung (JurBüro 1980, 1417; Die Justiz 1984, 425 = JurBüro 1985, 122) grundsätzlich dann erstattungsfähig, wenn eine Partei eines solchen Gutachtens bedarf, „um ihre Prozessaussichten einigermaßen abzuklären und zu wesentlichen Streitpunkten sachgerecht vorzutragen”. Vorausgesetzt ist allerdings ein konkreter Prozessbezug. Die Aufwendungen müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vor- oder außerprozessual entstanden sein; auszuscheiden sind diejenigen Aufwendungen, die gemacht wurden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnete (Senat, Die Justiz 1984, 425).
Hier handelt es sich jedoch um ein Gutachten, zu dessen Einholung die Beklagte nach § 10 Abs. 2 der Versicherungsbedingungen berechtigt – aber nicht verpflichtet – ist, um ihre Leistungspflicht zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich ein Rechtsstreit keineswegs konkret abgezeichnet, so dass der erforderliche Prozessbezug fehlt. Ausweislich dieser Bedingungen fallen die Kosten eines solchen Gutachtens der Versicherung zur Last: immer, wenn die Versicherung von diesem Recht, den Versicherungsnehmer ärztlich gesondert untersuchen zu lassen, Gebrauch macht, geschieht dies ausdrücklich ohne Kostenrisiko für den Versicherten. Anders lässt sich die maßgebliche Klausel „Wir können – dann allerdings auf unsere Kosten – …ärztliche Untersuchungen …verlangen” nicht verstehen. Diese – auch in anderen allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltene (vgl. § 4 Abs. 4 BUZ) – Klausel ist eine Umsetzung des § 185 VVG für die Summenversicherung (für die Schadensversicherung vgl. § 66 VVG), getragen von dem Bestreben, die geschuldete Versicherungsleistung nicht durch Ermittlungskosten zur Feststellung der Einstandspflicht zu reduzieren (vgl. Prölss/Veit, VVG 26. Aufl, Rn 1 zu § 66; Prölss/Knappmann, aaO, Rn 2 zu § 185). Ergibt sich aus dem Versicherungsverhältnis, dass Gutachterkosten immer, wenn sie anfallen, von der Versicherung zu tragen sind, dann können sie grundsätzlich nicht im – eventuell – nachfolgenden Prozess den Kosten der Rechtsverteidigung zugeschlagen werden. Eine Ausnahme wird von der Rechtsprechung nur dann gemacht, wenn konkrete Verdachtsmomente für das Vortäuschen eines Versicherungsfalles („Versicherungsbetrug”) vorliegen (vgl. OLG Karlsruhe VersR 1994, 1206; auch LG Kaiserslautern VersR 1990, 1409), also bei einer Versicherung gegen Berufsunfähigkeit etwa im Falle der Selbstverstümmelung (vgl. zB OLG Oldenburg VersR 1987, 177; OLG Bamberg VersR 1981, 74); ein solcher Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor.
Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass dieses Gutachten nach Ablehnung der Leistungspflicht (§ 11 Versicherungsbedingungen) in einem nachfolgenden, innerhalb einer 6-Monatsfrist vom Versicherungsnehmer einzuleitenden (§ 12 Abs. 3 S. 1 VVG) Rechtsstreit in das Verfahren „eingeführt” wird. Die versicherungsvertragliche Regelung über die Tragung dieser Gutachterkosten schließt hier eine Erstattung über § 91 ZPO aus; allenfalls im verfahrensabschließenden Vergleich hätten die Prozessparteien abweichen...