Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbraucherwiderruf einer Kfz-Finanzierung
Leitsatz (amtlich)
Erfolgreicher Verbraucherwiderruf einer Kfz-Finanzierung:
1. Zur richtlinienkonformen Auslegung der deutschen Vorschriften über die im Verbraucherdarlehensvertrag zu erteilenden Pflichtangaben nach dem EuGH-Urteil vom 9. September 2021 (C-33/20 u.a.) - hier: Der Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner Anpassung
2. Zu den Rechtsfolgen eines erfolgreichen Widerrufs bei verbundenen Verträgen - hier: Berechnung des Wertersatzanspruchs der Bank wegen des finanzierten Fahrzeugs
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 17.12.2018 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.624,72 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9.10.2018 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Bezug auf den weitergehenden Zahlungsantrag der Klägerin in Höhe von 1.969,19 EUR der Hauptsache erledigt hat.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in sämtlichen Rechtszügen trägt die Klägerin 1/3, die Beklagte 2/3.
IV. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil im Umfang der Zurückweisung der Berufung sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Streitwert in der Berufung und in erster Instanz: bis 45.000 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit und die Folgen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages.
Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 24.7.2014 kam mit der beklagten Bank ein Darlehensvertrag zustande. Der Nettodarlehensbetrag in Höhe von 28.900,00 EUR diente der Klägerin zur teilweisen Finanzierung des Kaufs eines Fahrzeugs der Marke M. bei der T. GmbH zu einem Preis von 41.400,00 EUR. Den nicht finanzierten Teil des Kaufpreises (12.500,00 EUR) leistete die Klägerin als Anzahlung an die Verkäuferin. Vor Ende der Laufzeit erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 4.7.2018 den Widerruf ihrer Vertragserklärung.
Die Klägerin macht geltend, der Verbraucherdarlehensvertrag enthalte nicht alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen, weshalb sie noch im Juli 2018 berechtigt gewesen sei, ihre Vertragserklärung zu widerrufen.
Mit ihrer Klage hat sie zunächst die Feststellung begehrt, dass der Beklagten ab dem Zugang der Widerrufserklärung kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht, ferner die Erstattung der von ihr geleisteten Darlehensraten (8.598,78 EUR) sowie der Anzahlung (12.500 EUR) nach Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs, verbunden mit der Feststellung des Annahmeverzuges und schließlich die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
Nach Zustellung der Klage hat die Klägerin das Fahrzeug am 19.10.2018 gegen Zahlung von 22.438,80 EUR an die T. GmbH zurückgegeben, die die noch offene Schlussrate von 21.942,00 EUR an die Beklagte geleistet hat. Mit Schriftsatz vom 24.10.2018 hat die Klägerin angekündigt, nur noch die auf Leistung gerichteten Anträge zu stellen, wobei sie die Erstattung der Raten nunmehr unabhängig von der Herausgabe des Fahrzeugs verlangt hat. Im Übrigen hat sie den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt.
Die Beklagte meint, die Klägerin habe den Widerruf verspätet erklärt und verhalte sich treuwidrig. Hilfsweise hat sie eingewendet, ihr stehe der Wert im Zeitpunkt der Veräußerung in Höhe von 22.438,80 EUR zu, ferner weitere 18.961,20 EUR als Ersatz für den eingetretenen Wertverlust, der in der Differenz zwischen dem ursprünglichen Bruttoverkaufspreis von 41.400,00 EUR und dem Preis des Rückkaufs von 22.438,80 EUR bestehe. Mit ihren Gegenansprüchen hat sie hilfsweise aufgerechnet. Schließlich hat sie hilfsweise die Aufrechnung erklärt mit einem Anspruch auf Entschädigung für die Nutzung der Darlehensmittel in Höhe von 2.014,64 EUR. Neben der Hilfsaufrechnung hat sie diese Ansprüche mit einer auf Feststellung gerichteten Hilfswiderklage verfolgt.
Bezüglich der Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die auf Leistung gerichteten Anträge der Klägerin abgewiesen, weil die Widerrufsfrist im Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits abgelaufen gewesen sei.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter näherer Begründung im Einzelnen ihre vom Landgericht abgewiesene Leistungsklage weiterverfolgt und meint, sie habe den Darlehensvertrag im Jahr 2018 noch widerrufen können, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Gang...