Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bemessung des Differenzschadensersatzes nach § 287 ZPO.
2. Zur Vorteilsausgleichung im Rahmen eines Anspruchs auf Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 2 EG-FGV.
3. Zur Berücksichtigung eines höheren Restwertes an Stelle des erzielten Veräußerungserlöses - Schadensminderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 BGB.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 24.02.2022; Aktenzeichen 11 O 343/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.02.2022 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 2.259,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.03.2024 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klagepartei zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanzen tragen die Klagepartei 90% und die Beklagte 10%. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Klagepartei 81 %, die Beklagte 19%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das erstinstanzliche Urteil ist - soweit nicht ab-
geändert - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 13.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz C 220 CDI am 27.10.2011 von einem Dritten zum Preis von 27.500,00 EUR. Bei Übergabe wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 25.920 km auf. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 651 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 5.
In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert.
Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - aufgrund einer früheren Zuschaltung des großen Kühlkreislaufes - verzögerte Erwärmung des Motors zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.
Über ein SCR-System verfügt das Fahrzeug nicht. Die Klagepartei hat das streitgegenständliche Fahrzeug am 03.02.2022 bei einer Gesamtkilometerlaufleistung von 182.524 km für 5.000,00 EUR verkauft. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Erstinstanzlich hat die Klagepartei zuletzt unter Rücknahme des ursprünglich angekündigten Klageantrags Ziffer 2 und Teilerledigterklärung bezüglich der Klageanträge Ziffer 1 und 4 beantragt für Recht zu erkennen:
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, abzüglich einer Nutzungsentschädigung in EUR pro gefahrenem Kilometer in dem Zeitraum vom 25 10 2011 bis zum 03.02.2022, die sich nach folgender Formel berechnet: (22.729,42 EUR × 156 604 gefahrene Kilometer). 324 080 km;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 EUR zu zahlen.
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger Schadensersatz für Schaden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs Mercedes C 220 CDI, FIN ..., mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultieren, zu zahlen.
Die Beklagte ist den Teilerledigterklärungen entgegengetreten und hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
B. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
C. Gegen dieses Urteil hat die Klagepartei Berufung eingelegt. Nachdem die Klagepartei erstinstanzlich allein den großen Schadensersatz begehrt hatte, hat sie in der Berufungsinstanz erstmals mit Schriftsatz vom 13.03.2024, welcher der Beklagten am 14.03.2024 zugestellt worden ist, - hilfsweise - den Differenzschadensersatz geltend gemacht.
Die Klagepartei beantragt unter (teilweiser Erledigterklärung für weiter gezogene Nutzungen und) Abänderung des angefochtenen Urteils wie folgt für Recht zu erkennen:
1. die Beklagt...