Leitsatz (amtlich)

1. Eine Bank verstößt gegen § 1 PAngV, wenn sie für ein "Null Gebühren"-Girokonto damit wirbt, dass für eine EC- und eine Kreditkarte ab einer bestimmten Zahl von Umsätzen "0,- EUR" berechnet würden, ohne anzugeben, welche Kosten bei Nichterreichen dieser Umsatzzahl anfallen, und ohne mitzuteilen, dass das Konto des Kunden bereits bei Vertragsschluss mit Kosten belastet wird, die erst bei Erreichen der Umsatzzahl zurückerstattet werden.

2. Eine Bank verstößt gegen § 1 PAngV, wenn sie im Rahmen der Werbung für ein "Null-Gebühren"-Girokonto damit wirbt, dass der Kunde ein Jahr lang eine kostenlose Unfallversicherung ("0,- EUR") genieße, ohne darüber zu informieren, welche Kosten für die Unfallversicherung ab dem zweiten Vertragsjahr anfallen.

3. In der Schutzschrift kann ein wirksamer Antrag auf Verweisung an die Kammer für Handelssachen nicht gestellt werden.

4. Hat das Gericht infolge eines Organisationsversehens das Vorbringen in einer Schutzschrift nicht zur Kenntnis genommen, wird die hieraus resultierende Verletzung des rechtlichen Gehörs dadurch geheilt, dass das Gericht nach Einlegung des Widerspruchs das Vorbringen des Verfügungsbeklagten bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.

 

Normenkette

GG Art. 103; GVG §§ 97-99; PAngV § 1; ZPO §§ 935-937

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 31.08.2017; Aktenzeichen 35 O 52/17 KfH)

 

Tenor

  • 1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 31.08.2017 - 35 O 52/17 KfH - wird zurückgewiesen.
  • 2. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Streitwert: 30.000,00 Euro

 

Gründe

A Die Verfügungsklägerin, ein Kreditinstitut, hat beim Landgericht - 11. Zivilkammer - Stuttgart eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Verfügungsbeklagten untersagt wurde, mit folgenden Angaben in einer Postwurfsendung für ein Girokonto zu werben:

((Abbildung))

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten wurde die Beschlussverfügung durch die 35. Kammer für Handelssachen mit dem angefochtenen Urteil bestätigt. Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verteidigt sich die Verfügungsbeklagte weiter und beantragt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. August 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Stuttgart (Az. 35 O 52/17 KfH) geändert: Auf den Widerspruch der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 15. Mai 2017 (Az. 11 O 111/17) aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin verteidigt das Urteil und beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

B Die Berufung ist unbegründet. Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung der in der Urteilsformel der Beschlussverfügung abgebildeten Werbung für ein Girokonto. Weiter liegt der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund der Dringlichkeit vor.

I. Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch auf verschiedene Gesichtspunkte gestützt:

  • Es liege ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vor, weil nicht angegeben werde, welchen Preis der Kunde für die Kreditkarte bzw. die EC-Karte zu bezahlen habe, falls er den Mindestumsatz bzw. die Mindestanzahl an bargeldlosen Umsätzen verfehle;
  • Weiter liege ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vor, weil nicht erkennbar sei, dass Gebühren - noch dazu in nicht ermittelbarer Höhe - bei Abschluss des Vertrages eingezogen werden und erst nach Ablauf eines Jahres im Falle des Erreichens des Mindestumsatzes bzw. der Mindestanzahl an Einsätzen wieder erstattet werden.
  • Hierin liege auch eine Irreführung des Verbrauchers.
  • Schließlich entspreche es nicht der Preisangabenverordnung, dass der Preis für die Unfallversicherung, der im zweiten Jahr zu entrichten sein werde, nicht angegeben werde.

Ungeachtet dessen besteht der Verfügungsanspruch bereits, wenn die Werbeanzeige unter lediglich einem dieser Gesichtspunkt unlauter ist. Durch die Antragsfassung bildet die Werbeanzeige in ihrer Gesamtheit den Streitgegenstand und der Kläger überlässt es bei einem Erfolg der Klage dem Gericht zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird (BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, juris Rn. 24 - Biomineralwasser). Nachdem das Landgericht gleichwohl eine umfassende Prüfung vorgenommen hat, nimmt der Senat ebenfalls zu allen aufgeworfenen Fragen Stellung.

II. Zutreffend hat das Landgericht einen Unterlassungsanspruch darauf gestützt, dass keine Angaben über den Preis für den Fall gemacht werden, dass der Verbraucher die Mindestumsätze bzw. Mindestanzahl der Einsätze nicht erreicht.

1. Der Anspruch folgt aus § 8 Absatz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a und § 1 Absatz 1 Preisangabenverordnung.

a) Gemäß § 8 Absatz 1 Satz 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch steht jedem Mitbewerber zu (§ 8 Absatz 3 Nr. 1 UWG). Ein solcher ist gemäß § 2 Absatz...

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