Leitsatz (amtlich)

1. Die von einer GbR von Rechtsanwälten und Steuerberatern, die in einer Stadt am Bodensee niedergelassen ist, u.a. auf Briefbögen verwendete Bezeichnung "Bodenseekanzlei" kann als ein auf den Wirtschaftsraum bezogenes Spitzenstellungsprädikat verstanden werden und ist als solches zur Irreführung i.S.d. §§ 3, 5 Abs. 1, 2 UWG geeignet.

2. Der danach begründete Unterlassungsausspruch erstreckt sich auch auf die Verwendung der Bezeichnung als Internet-Adresse.

3. Der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines solchen Bezeichnungsverbotes nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO kann i.d.R. ein Antrag nach § 712 ZPO nicht mit Erfolg entgegengestellt werden.

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen 6 O 176/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten Ziff. 1-3 und 6-9 gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Ravensburg vom 28.7.2005 wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner 2/9 der Gerichtskosten in beiden Instanzen.

Die übrigen Gebühren und Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen tragen die in Ziff. 1 des Tenors bezeichneten Beklagten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000 EUR abwenden, diejenigen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 30.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, der Sache nach jedoch ohne Erfolg.

A. Zum einen wird auf die Feststellungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Zusammenfassend:

Die Beklagten - die Beklagte Ziff. 1 als von Rechtsanwälten und Steuerberatern gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Beklagten Ziff. 2 bis 9 als bei der Beklagten Ziff. 1 jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung tätige Rechtsanwälte oder Steuerberater - haben, nach Verlegung des Kanzleisitzes von R. weg, ab März 2005 in F. ihren Kanzleisitz begründet und treten dort im geschäftlichen Verkehr, zum Teil mit einer graphischen Ausschmückung, als B. auf.

Darin sehen die Kläger, unterschiedliche Anwalts- und teilweise Notarkanzleien aus F., eine irreführende Spitzenstellungsberühmung, weil damit dem angesprochenen Verkehr neben einem gewissen geographischen Verweis jedoch auch eine Sonderstellung am Markt, sei es qualitativ oder quantitativ, suggeriert werde, welche den Beklagten nicht zukomme.

Die Kläger haben beantragt:

- wie zuerkannt -

Die Beklagten haben beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie haben hauptsächlich eingewandt, der maßgebliche durchschnittlich informierte, aufmerksame (und verständige) Verbraucher sehe in dieser Bezeichnung nur eine Orts- und Herkunftsangabe, nicht die von Klägerseite ihr beigelegte Spitzenstellungsbehauptung. Dies werde auch darin sinnfällig, dass es den Bodensee nicht als Region gebe, sondern nur als Naturdenkmal in Form eines Sees. Der Verkehr sei auch, wie vielfältig zu belegen sei, an den Einsatz geographischer Namenselemente auch von Unternehmen gewöhnt und messe solchem Gebrauch nicht die Berühmung einer wirtschaftlichen oder qualitativen Dominanz zu, jedenfalls wenn eine gewisse Relation zwischen wirtschaftlicher Raumschaft und unternehmerischer Stärke nicht verlassen werde. So liege es hier. Denn die Beklagte Ziff. 1 sei immerhin nach der Klägerin Ziff. 1, was die Anzahl der Berufsträger anbelange, die zweitgrößte Kanzlei in F., bzw. habe nach einer gewissen personellen Veränderung auf Seiten der Beklagten mit ihr gleichgezogen. Jedenfalls liege das Verfolgungsinteresse der Kläger unter der Bagatellschwelle des § 3 UWG und greife zudem unvertretbar in das auch durch Art. 12 GG geschützte berufliche Werberecht ein.

Das LG sprach wie beantragt aus:

Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten Ziff. 1 an ihren Gesellschaftern zu vollstrecken ist, verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Bezeichnung "B." zu werben, denn im angegriffenen werblichen Auftreten liege eine beanstandungswürdige "Hegemoniekomponente".

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, welche unter vertiefender Wiederholung an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen und den damit verbundenen Wertungen festhalten. Ergänzend heben sie u.a. darauf ab, dass der Richter erster Instanz für diese eigene Bewertung seine Sachkunde nicht nachgewiesen habe, gegen die auch stehe, dass er als der Rechtspflege selbst Angehöriger nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehöre. Zudem verbiete das landgerichtliche Urteil insgesamt den werblichen Einsatz des Begriffes. Es sei jedenfalls eine unterschiedliche Betrachtung angezeigt hinsichtlich des...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge