Leitsatz (amtlich)
1. § 1 II Nr. 2 PAngV (Pflicht zur Angabe von Liefer- und Versandkosten) ist Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.
2. Dem durchschnittlichen Internetnutzer ist geläufig, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehrere u.U. durch Links verbundene Internetseiten verteilt sein können.
3. Beim eigenen Internetauftritt des werbenden Unternehmens genügt es dem durchschnittlichen Versandhandelskäufer, wenn die zusätzlichen Liefer- und Versandkosten alsbald und leicht erkennbar auf einer gesonderten Seite angegeben werden, die noch vor der Einleitung des Bestellvorgangs notwendig aufgerufen werden muss. Wird jedoch eine Preisangabe ohne diese Zusatzkosten in eine Preissuchmaschine eingestellt, wird der Zweck der Preisvergleichbarkeit verfehlt, und der Verbraucher erliegt der bloßen Preisangabe bereits dadurch, dass er sich über einen Link in das virtuelle Ladenlokal des Werbenden begibt.
4. Für die Erfüllung der Vorgaben des § 1 II Nr. 2 PAngV ist - ggf. neben dem Preissuchmaschinenbetreiber - auch der werbende, die Preisdaten liefernde Unternehmer selbst verantwortlich.
5. Neben §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verstößt das werbende Unternehmen dadurch auch gegen das Irreführungsverbot, dass es den der Suchmaschine gemeldeten Preis nachträglich bei sich ändert. Für die bis zur turnusmäßigen Aktualisierung der Suchmaschine bestehende Divergenz ist das werbende Unternehmen nach § 8 II UWG wettbewerbsrechtlich verantwortlich. Diese zeitweise Divergenz begründet einen nicht nur unerheblichen Nachteil i.S.d. § 3 UWG.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11, §§ 5, 8 Abs. 2; PangV § 1 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 08.02.2007; Aktenzeichen 35 O 125/06 KfH) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 8.2.2007 (AZ.: 35 O 125/06 KfH) wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 5/6, die Beklagte 1/6.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jeder der Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 vom Hundert des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 vom Hundert des beizutreibenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für beide Rechtszüge: 30.000 EUR. Davon entfallen im zweiten Rechtszug auf die Berufung der Klägerin 25.000 EUR, auf diejenige der Beklagten 5.000 EUR.
Gründe
I. Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 35. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 8.2.2007 (Az.: 35 O 125/06 KfH - GA 52/62) Bezug.
Das LG hat, nachdem die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der negativen Feststellungsklage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, der Widerklage insoweit stattgegeben, wie sie auf Unterlassung gerichtet ist. Die darüber hinausgehende Widerklage auf Feststellungen und Auskunft hat es abgewiesen. Zu dem Teil des Streitgegenstandes, über den der Senat noch zu entscheiden hat, hat es ausgeführt:
Der mit dem Widerklageantrag Nr. I.1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 Abs. 2 PAngV. Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 1 Abs. 2 PAngV ergebe, dass auch das Werben mit Preisen (§ 1 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 PAngV) von § 1 Abs. 2 PAngV erfasst sei. Zumindest eine derartige Werbung liege in dem in die Suchmaschine f. g. de eingestellten Hinweis auf die Bezugsmöglichkeit der Kamera C. Ob darüber hinaus auch ein Anbieten im Rechtssinne vorliege, könne deshalb dahinstehen. Die danach gegebene Verpflichtung, zusätzliche Liefer- und Versandkosten anzugeben, habe die Klägerin nicht erfüllt. § 1 Abs. 6 PAngV gebiete, dass sich die Angaben in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dem Preis befinden müssten. Dazu reiche es nicht aus, wenn sie sich auf einer Internetseite befänden, die der Kunde vor der Bestellung notwendigerweise aufrufen müsse. Aus der Rechtsprechung des BGH ergebe sich nichts anderes. Hierdurch trete eine nicht nur unerhebliche Verfälschung des Wettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher ein.
Die Preisangabenverordnung stelle eine Marktverhaltensregelung zum Schutz der Verbraucher dar.
Auch der Unterlassungsantrag Nr. I.2. sei begründet, dieser aus §§ 8, 5, 3 UWG. Es verstoße gegen das Irreführungsverbot, wenn in der Produktsuchmaschine f.g.de ein Preis angegeben werde, obwohl die Klägerin zum gleichen Zeitpunkt unter comtech.de einen höheren Warenpreis und Versandkosten verlange (Differenzbetrag 15,89 EUR). Denn durch die Werbung werde beim Verbraucher die falsche Vorstellung erweckt, er könne die Kamera zu dem in der Produktsuchmaschine angegebenen Preis über das Internet bei der Klägerin erwerben. Dass der Irrtum noch vor dem Kauf auf der Internetseite der Klägerin richtiggestellt werde, lasse di...