Leitsatz (amtlich)
1. Einem Gläubiger ist grundsätzlich gestattet, den entstandenen Teil des Schadens zum Zeitpunkt der Klagerhebung zu beziffern und mit einer Leistungsklage geltend zu machen sowie daneben im Übrigen im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Klagerhebung noch nicht bezifferbaren weiteren Schäden auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Schuldners zu klagen. Macht der Schuldner geltend, der Gesamtschaden des Klägers unterschreite bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz den mit der Teilleistungsklage geltend gemachten Mindestschaden, hat der Kläger darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass zu diesem Zeitpunkt der geltend gemachte Mindestschaden jedenfalls erreicht wird.
2. Lässt sich der Käufer an seiner Investitionsentscheidung nicht festhalten und verlangt er im Rahmen des großen Schadensersatzes Erstattung der von ihm während seiner Nutzungsdauer für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Immobilie aufgewandten Kosten, muss er sich als kongruenten Vorteil anrechnen lassen, die Immobilie ohne entsprechende Belastungen, also wie ein Mieter, genutzt zu haben. Bei der Eigennutzung der Eigentumswohnung hat sich ein Käufer nicht nur den Mietzins erspart, sondern auch die vom Mieter üblicherweise zu tragenden Nebenkosten wie hier die Grundsteuer.
3. Bei der Vorteilsausgleichung muss sich der Gläubiger eines Schadensersatzanspruches diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die ihm tatsächlich entstanden sind, da die Vorteilsausgleichung der Abschöpfung tatsächlich erzielter Vorteile dient. Bleibt die zurückzugebende Eigentumswohnung (zeitweise) leer, unterliegt dies nicht einer Vorteilsausgleichung, sondern kann zu einer Kürzung des Schadensersatzanspruches wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB führen.
4. Ist eine Vermietung der Zug um Zug zurückzugebenden Wohnung erfolgt und reduziert sich dadurch der von der Verkäuferin zu ersetzenden Schaden, handelt sie widersprüchlich und damit treuwidrig, wenn sie sich im Rahmen des Annahmeverzugs und der Verzinsung darauf beruft, eine sofortige Verschaffung des unmittelbaren, mietfreien Besitzes an der Sache sei der Käuferin nicht möglich gewesen.
Normenkette
ZPO § 256; BGB §§ 249, 254 Abs. 2, § 242
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 17.08.2012; Aktenzeichen 3 O 372/08 II) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Heilbronn vom 17.8.2012 - 3 O 372/08 II abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 1 208.404,33 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % seit 11.1.2009 Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübereignung und Verschaffung des unmittelbaren Besitzes an der Eigentumswohnung im Dach- und im Bühnengeschoss des Hauses G-Straße 65, Sa., im Aufteilungsplan mit der Nr. 23 bezeichnet, sowie des Tiefgaragenstellplatzes mit der Nr. 54 im selben Haus, gebucht im Grundbuch von Sa., Gemarkung Sa., Flurstück X, Grundbuchnummer: Y Nr. 1 sowie Grundbuchnummer Z Nr. 13 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Ziff. 2 199.259,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % seit 11.1.2009 Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübereignung und Verschaffung des unmittelbaren Besitzes der Eigentumswohnung im Erdgeschoss des Hauses G-Straße 65, Sa., im Aufteilungsplan mit der Nr. 13 bezeichnet, sowie des Abstellplatzes im Untergeschoss sowie einen Tiefgaragenstellplatz, im Aufteilungsplan mit der Nr. 55 bezeichnet, gebucht im Grundbuch von Sa., Gemarkung Sa., Flurstück X, zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten und der Streithelfer zurückgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerinnen wird zurückgewiesen.
6. Von den Kosten erster Instanz tragen von den Gerichtskosten die Klägerin Ziff. 1 8 %, die Klägerin Ziff. 2 8 %, der Kläger 3 14 % und die Beklagte 70 % mit Ausnahme der Kosten der Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 27.7.2012, von denen die Klägerinnen Ziff. 1 und 2 jeweils 11 % und die Beklagte 78 % tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 1 trägt die Beklagte 78 % und von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 2 trägt die Beklagte 77 %. Zwischen dem Kläger Ziff. 3 und der Beklagten findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Streithelfer tragen die Klägerin Ziff. 1 und die Klägerin Ziff. 2 jeweils 8 %. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung in erster Instanz nicht statt.
Vom Rechtsstreit in zweiter Instanz tragen von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Klägerin Ziff. 1 und die Klägerin Ziff. 2 jeweils 14 % und die Beklagte 72 %. Die Klägerinnen Ziff. 1 und 2 tragen von den außergerichtlichen Kosten der Streithelfer in zweiter Instanz jeweils 14 %. Die Beklagte trägt von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 1 in zweiter Instanz 75 % und von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin Ziff. 2 in zweiter Instanz 30 %. Im Übrigen findet eine...