Leitsatz (amtlich)

1. Das Interesse einer Erbengemeinschaft, sich aus pragmatischen Gründen auseinanderzusetzen und deshalb eine ererbte Eigentumswohnung zu veräußern, rechtfertigt für sich allein keine Kündigung i.S.v. § 573 Abs. 2 S. 3 BGB.

2. Wird eine Eigentumswohnung im Wege des Erbgangs in vermietetem Zustand von den Erben erworben, so ist für die Bewertung der Frage, ob eine Kündigung zur Ermöglichung der Verwertung gerechtfertigt ist, weil ansonsten ein erheblicher Verwertungsverlust entsteht, auf den Wert der Wohnung in vermietetem Zustand abzustellen.

3. Wird gekündigt, weil mit einer Wohnung in vermietetem Zustand ein erheblich geringerer Erlös zu erzielen ist als bei einer Veräußerung in unvermietetem Zustand, so ist der Nachteil an Hand der Marktverhältnisse konkret nachzuweisen.

 

Verfahrensgang

AG Ludwigsburg (Urteil vom 15.04.2005; Aktenzeichen 11 C 3964/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des AG Ludwigsburg vom 15.4.2005 - 11 C 3964/04 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 5.276,52 EUR.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das AG hat zu Recht die Räumungsklage abgewiesen.

A. Das OLG ist gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG zur Entscheidung über die Berufung gegen das Urteil des AG Ludwigsburg funktionell zuständig, da vier der Kläger ihren Wohnsitz i.S.d. § 13 ZPO und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in 1. Instanz im Ausland hatten. Es handelt sich hierbei um eine rein formale Anknüpfung, unabhängig davon ob materiell-rechtlich überhaupt die Anwendung ausländischen Rechts in Frage steht. Nr. 1b GVG gilt dabei auch für Mietstreitigkeiten; § 29a ZPO berührt die funktionelle Zuständigkeit des Berufungsgerichts nicht (BGH v. 15.7.2003 - VIII ZB 30/03, BGHReport 2003, 1234 = MDR 2003, 1367 = NJW 2003, 3278; Gummer/Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 119 GVG Rz. 14 f.).

B. Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB auf Räumung und Herausgabe der im 1. OG des Anwesens B. (Straße) in M. (Ort) links gelegenen 3-Zimmer-Wohnung mit Kellerraum und Abstellplatz zu.

Der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietvertrag zwischen der Beklagten und dem Erblasser W. (Vorname) S. (Nachname) vom 30.10.1999 (K 2), in den die Kläger als Erben (§ 1922 BGB) eingetreten sind, ist nicht durch die ordentliche Kündigung vom 22.10.2004 (K 3) zum 31.1.2005 aufgelöst worden.

Diese Kündigung ist unwirksam, da die Kläger kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben (§ 573 Abs. 1 S. 1 BGB).

Die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (sog. Verwertungskündigung), auf die die Kläger ihre Kündigung stützen, liegen nicht vor, wobei dahingestellt bleibt, ob die Kündigung bereits nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB unwirksam ist, weil die Kläger die Gründe für ein berechtigtes Interesse an der Kündigung in ihrem Kündigungsschreiben nicht ausreichend dargelegt haben.

I. Hier kommt deutsches Recht zur Anwendung, da die Wohnung in Deutschland liegt und das Mietverhältnis nach deutschem Recht begründet wurde und dieses keinerlei Beziehungen zum Ausland aufweist (Art. 28 Abs. 3 EGBGB).

II. Die Kläger haben nicht ausreichend dargelegt, dass ihnen aus dem Verkauf der Wohnung in vermietetem Zustand ein "erheblicher Nachteil" i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB entsteht.

1. Die Kläger haben zur geplanten Verwertungsmaßnahme, dem Verkauf der Wohnung, über den es bereits einen notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 10.1.2005 (K 13) gibt, konkret vorgetragen. Auch handelt es sich bei der geplanten Verwertung im Wege des Verkaufs um einen Zweck, der der geltenden Rechts- und Sozialordnung nicht widerspricht, weshalb die Verwertung angemessen ist (zu dieser Definition vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 1999, IV Rz. 70, Reick in Bamberger/Roth, Kommentar zum BGB, Januar 2005, § 573Rz. 83; LG Stuttgart ZMR 1995, 259).

2. Soweit die Kläger die Kündigung darauf stützen, dass die Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses für die aus 8 Personen bestehende Erbengemeinschaft unrentabel sei, weil auf jeden Erben nur ein geringer Anteil an Mietzins entfalle, der aber bei den ausländischen Erben durch die Kosten der Übersetzung etwa der Nebenkostenabrechnungen und den Kosten für Auslandsüberweisungen aufgesogen werde, wird die hieraus aus Sicht der Kläger resultierende Unrentabilität der Wohungsinnehabung bei Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses bereits nicht adäquat kausal gerade durch das Mietverhältnis verursacht.

Für eine wirksame Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist Voraussetzung, dass die Durchführung der Verwertung von der Beendigung des Mietverhältnisses abhängt. Eine bloße Erschwerung der Verwertung genügt nicht (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. 1999, IV Rz. 81)....

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