Leitsatz (amtlich)
1. Eine Partei die behauptet, beide Vertragspartner hätten den Vertragstext in einem anderen als dem Wortsinn in der Vertragsurkunde - hier "regelmäßige Auszahlungen" in einem Versicherungsschein - verstanden, trifft hierfür die Darlegungs- und Beweislast (Anschluss: BGH, Urt. v. 13.11.2000 - II ZR 115/99).
2. Wenn der Versicherer den Policenbedingungen "Wealthmaster" eine Einschränkung des Leistungsversprechens entnehmen will, verstößt diese Fassung der AVB ebenso gegen das Transparenzgebot wie die Fassung in den Policenbedingungen "Wealthmaster Noble" (BGH, Urt. v. 11.7.2012 - IV ZR 164/11).
3. Eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zur Leistung einer Schlusszahlung mindestens in Höhe der Einlage in die Kapitallebensversicherung "Weahlthmaster" beziehungsweise "Wealthmaster Noble" ist mangels eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses unzulässig, wenn die Schlusszahlung erst Jahrzehnte später (hier: im Jahr 2038) fällig wird (Anschluss: BGH, Urt. v. 13.3.2001 - VI ZR 290/00 und BGHZ 120, 239).
Normenkette
VVG §§ 150 ff.; BGB § 305 Abs. 2 Nr. 1, § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 2; ZPO § 256 Abs 1
Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 12.07.2012; Aktenzeichen 4 O 353/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Tübingen - 4 O 353/09 - vom 12.7.2012 wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen und die hierdurch erweiterte Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.
4. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages jeweils abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 86.141,60 EUR
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten wendet sich gegen ein Urteil des LG Tübingen, mit dem sie auf Feststellung hinsichtlich des Erfüllungsanspruchs auf laufende Auszahlungen für den Zeitraum 25.3.2009 bis 25.12.2038 i.H.v. 1.459,49 EUR pro Quartal, jährlich um 1 % p. a. ansteigend Zug um Zug gegen Rückzahlung von der Beklagten zum 1.1.2009 ausbezahlter 43.798 EUR verurteilt wurde.
Der Kläger begehrt mit der Anschlussberufung klagerweiternd die Feststellung der Zahlungspflicht der Beklagten hinsichtlich der vollen Schlusszahlung aus der Lebensversicherung "Wealthmaster" bei Vertragsende.
Die beklagte Versicherung ist ein seit 1995 auf dem deutschen Markt tätiges englisches Versicherungsunternehmen mit Sitz in den Niederlanden und Großbritannien.
Die zwischenzeitlich insolvente L. Vermögensverwaltung AG initiierte und entwickelte das Anlagekonzept "LEX-Konzept-Rente". Der LEX-Konzept-Rente liegt folgendes Modell zugrunde:
- Der Anleger nimmt ein Darlehen auf, das er zu einem ganz überwiegenden Teil als Einmalbetrag in einen Lebensversicherungsvertrag der Beklagten einbezahlt. Mit den aus diesem Vertrag sofort ausgeschütteten Teilzahlungen wird der Darlehenszins bedient. Das Konzept geht dabei von der Erwartung aus, dass die erzielbare Rendite der Lebensversicherung über den Teilzahlungen liegen und somit eine kontinuierliche Wertsteigerung der Lebensversicherung erfolgen wird.
- Ein Teilbetrag des Darlehens wird in ein Investmentfondsdepot einbezahlt, mit dem nach einer Laufzeit von 14 oder 15 Jahren das Darlehen getilgt wird.
- Das einzusetzende Eigenkapital wird teilweise in den Lebensversicherungsvertrag und teilweise in das Investmentfondsdepot einbezahlt sowie zur Begleichung der Abschlusskosten verwendet.
Nach der Refinanzierungszeit steht die Lebensversicherung dem Anleger unbelastet zur Verfügung; im Hinblick auf die Erwartung, dass die Lebensversicherung deutlich an Wert gewonnen haben wird, stehen die laufenden Teilauszahlungen als Rente längstens bis zu dem im Versicherungsschein bestimmten letztmaligen Auszahlungstermin zur Verfügung.
Zur Finanzierung der Anlage schloss der Kläger mit der H. (Schweiz), Landesbank Hessen-Thüringen, AG, Zürich im Dezember 1998 einen Darlehensvertrag (Anlage K 2, Bl. 99) über Kredite in Schweizer Franken, deren Gegenwert insgesamt 258.396 DM (= 132.115,77 EUR) beträgt.
Nach "§ 8 Verwendungszweck" des Kreditvertrags wurden die zwei im Kreditvertrag genannten Teilbeträge wie folgt verwendet:
"Finanzierung der Einmalzahlung in das Wertpapierdepot" 61.332 DM
"Finanzierung der Einmalzahlung in eine Renten-/Lebensversicherung,
des Disagios, der Vermittlungsgebühr der Renten-/Lebensversicherung
und der Vermittlungsgebühr dieses Kredits" 197.064 DM
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= Kreditbetrag 258.396 DM
Die Laufzeit für das ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in einem Betrag rückzahlbare Darlehen (= endfälliges Darlehen) endete am 30.11.2012. Im Kreditvertrag ist unter "§ 7 Sicherheiten" vereinbart, dass als Sicherheit für den Kredit die "Landeskreditkasse zu Kassel" eine unbedingte Zahlungsgarantie ...