Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Berufung mit Blick auf den Erwachsenheitswert nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i. V. m. §§ 1 Nr. 1 a, 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG

 

Verfahrensgang

AG Montabaur (Entscheidung vom 10.05.2011; Aktenzeichen 9 Lw 1/09)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.03.2012; Aktenzeichen LwZB 3/11)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Montabaur vom 19. Mai 2011 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Der Kostenstreitwert für das Berufungsverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren wird in die Gebührenstufe bis 300,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat die Beklagte entsprechend den klägerischen Anträgen unter Ziffer 1 des Tenors der am 19. Mai 2011 verkündeten Entscheidung zur Herausgabe des Grundstücks Gemarkung M..., Flurstück ... und unter Ziffer 2 zur Entfernung des darauf installierten Zaunes verurteilt. Das erstinstanzliche Gericht hat den Gegenstandswert des Verfahrens auf insgesamt 2.500,00 € (Antrag Ziffer 1.: 2.000,00 € und Antrag Ziffer 2.: 500,00 €) festgesetzt.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sich auf ein weiterhin bestehendes Pachtverhältnis berufen.

Der Senat hat die Beklagte mit Verfügung des Vorsitzenden vom 2. November 2011 darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung mit Blick auf den Erwachsenheitswert nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i. V. m. §§ 1 Nr. 1 a, 48 Abs. 1 Satz 1 LwVG bestehen.

II. Das Rechtsmittel ist unzulässig und deshalb nach § 522 Abs. 1 ZPO, § 48 Abs. 1 LwVG im Beschlusswege zu verwerfen. Die Beschwer der Beklagten durch das erstinstanzliche Urteil erreicht nicht die gemäß § 511 Abs. 1 Nr. 1 ZPO normierte Erwachsenheitssumme von mehr als 600,00 €.

1. Soweit das Bestehen eines Pachtverhältnisses streitig ist, berechnet sich der Rechtsmittelbeschwerdewert nach§§ 2, 8 ZPO und somit nach dem Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht. Dies gilt auch dann, wenn eine Partei sich gegenüber einem dinglichen Herausgabeanspruch mit der Berufung auf ein angeblich bestehendes Pachtverhältnis verteidigt (BGH NZM 1999, 189).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte stützt ihre Berufung mit dem Ziel der Klageabweisung auf den von ihr behaupteten Umstand eines bestehenden Pachtverhältnisses. Die Jahrespacht beläuft sich nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten auf jährlich 46,00 €; die "streitige Zeit" i. S. v. § 8 ZPO beginnt mit dem Tag der Klageerhebung (hier: 7. Mai 2009) und endet mit dem Tag, an dem der Vertrag nach dem Vortrag der Beklagten im Oktober 2012ablaufen würde (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 8 Rdnr. 5). Die Berufungssumme wird damit im Streitfall deutlich verfehlt.

Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Beklagte auch zur Entfernung eines auf dem herauszugebenden Grundstück errichteten Zaunes verurteilt wurde. Dieser zusätzliche Urteilsausspruch ist für die Ermittlung der Beschwer nach § 8 ZPO unmaßgeblich, denn für die vom Kläger mit seinen Anträgen verfolgte Räumung und die Herausgabe eines verpachteten Grundstückes ist allein die Wertberechnung nach § 8 ZPO bestimmend (vgl. BGH NJW-RR 2000, 1739; NJW-RR 1994, 256 und BGH-Report 2003, 757). Soweit sich die Beklagte für ihre gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung des 12. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs vom 15. Juni 2005 - XII ZR 104/02 (NZM 2005, 677) beruft, ist dem nicht zu folgen. Nach dem klaren Wortlaut von § 8 ZPO ist die Beschwer allein nach dem für die streitige Zeit anfallenden Nutzungsentgelt zu bestimmen. Folglich bleibt der Beseitigungsaufwand als bloß mittelbar mit der Räumung verbundene Belastung unberücksichtigt (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rdnr. 3842). Auch die weiteren von der Beklagten angeführten wirtschaftlichen Nachteile, die ihr durch eine vorzeitige Beendigung des Pachtverhältnisses entstehen, spielen bei der Bemessung der Beschwer keine Rolle (BGH, Beschluss vom 6. April 2001 - LwZR 6/01 -, BeckRS 2001, 03313).

Unerheblich ist, dass das Erstgericht einen höheren Streitwert festgesetzt hat. Der Senat als Berufungsgericht ist an eineerstinstanzliche Streitwertfestsetzung nicht gebunden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 - VZB/04, BGH NJW-RR 2005, 219 unter II. 2. a m. w. N.).

2. Der Verwerfung der Berufung steht auch nicht entgegen, dass das Erstgericht keine Entscheidung über eine Zulassung der Berufung getroffen hat.

a) Nach § 511 Abs. 2 ZPO ist die Berufung gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt (Nr. 1) oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat (Nr. 2). Gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO lässt das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufun...

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