Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbürgerung. Vorstrafen. Härtefall
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Ausländer mehrfach wegen rechtswidriger Taten zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden und resultiert daraus nach der “Umrechnungsformel” des § 12a Abs. 1 S. 2 StAG eine Gesamtfreiheitsstrafe von 16 Monaten, so liegt keine nur geringfügige Überschreitung des Rahmens nach § 12a Abs. 1 S. 1 und 2 StAG vor.
2. § 12a Abs. 1 S. 1 und 2 StAG findet auch im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG unmittelbare Anwendung.
3. Eine besondere Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liegt nur vor, wenn die Härte durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt ist und durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würde.
Normenkette
VwGO § 124 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 124a Abs. 5 S. 2; StAG § 8 Abs. 1, 2 Nr. 2, §§ 9, 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 12a Abs. 1 Sätze 1-2, § 12 a Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
VG des Saarlandes (Urteil vom 09.02.2010; Aktenzeichen 2 K 530/09) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 2 K 530/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er lebt seit dem Jahre 2000 in der Bundesrepublik Deutschland. Am 17.4.2003 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Die am 23.1.2004 geborene Tochter besitzt ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit.
Der Kläger ist wegen Urkundenfälschung, Verletzung der Buchführungspflicht und mehrfachen Betrugs vorbestraft (vgl. im Einzelnen die Auflistung auf S. 3/4 des erstinstanzlichen Urteils). Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Nürnberg am 13.9.2007 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungsfrist endet am 12.9.2010.
Den am 10.1.2008 gestellten Einbürgerungsantrag des Klägers wies der Beklagte durch Bescheid vom 12.5.2009 mit Blick auf dessen Vorstrafen zurück. Die anschließende Klage hat das Verwaltungsgericht durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 9.2.2010 ergangenes Urteil abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
Entscheidungsgründe
II.
Der Berufungszulassungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die in der Antragsbegründung vom 16.4.2010 angeführten Gründe, die allein der Senat zu prüfen hat (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), geben keine Veranlassung, die Berufung gegen das Urteil vom 9.2.2010 zuzulassen. Insbesondere ergeben sich daraus im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, ohne dass eine Frage von besonderer rechtlicher und/oder tatsächlicher Schwierigkeit oder von grundsätzlicher Bedeutung zu beantworten wäre (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO).
a) Ein Anspruch des Klägers auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG scheitert an seinen Vorstrafen. Das ist in dem angegriffenen Urteil – ausgehend von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG – unter ausführlicher Würdigung sowohl der Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG als auch der Nichtberücksichtigungsregelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG dargelegt. Nach der “Umrechnungsformel” des § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG ergeben die weiterhin berücksichtigungsfähigen Vorstrafen des Klägers eine Freiheitsstrafe von insgesamt 16 Monaten. Dass damit die bei drei Monaten liegende “Bagatellgrenze” des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG mehr als nur “geringfügig” überschritten ist, liegt auf der Hand. Ergänzende Ausführungen sind nicht veranlasst.
b) Eine Kann-Einbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG scheitert – auch bei der nach Auffassung des Senats ebenso Marx in StAR – Gemeinschaftskommentar – Stand: April 2010 –, § 8 Rdnrn. 93 und 95/96, und Nr. 8.1.1.2 Abs. 2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern – VAH – vom 17.4.2009, abgedruckt in StAR – Gemeinschaftskommentar, VII-3; a.A. Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457 (465), schon vom Wortlaut der Bestimmung her (“bei der Einbürgerung”) gebotenen unmittelbaren Anwendung des § 12a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG – ebenfalls an den Vorstrafen des Klägers (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG).
Allerdings eröffnet § 8 Abs. 2 StAG die Möglichkeit (“kann”), im Einzelfall von der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG “aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abzusehen”. Darauf, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein solcher Härtefall vorliegt, zielt ersichtlich die Begründung des Berufungszulassungsantrags des Klägers. Dem kann indes nicht gefolgt werden.
Zustimmung verdient allerdings die Auffassung, dass § 8 Abs. 2 StAG auch nach der gebotenen unmittelbaren Anwendung des § 12a Abs. 1 Sätze 1 und 2 StAG “einen Restbestand an Flexibilität in Bezug auf...