Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschiebung. Erkrankung. Suizidgefährdung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Unmöglichkeit der Abschiebung eines suizidgefährdeten Ausländers (Einzelfall)

 

Normenkette

AufenthG § 60a II

 

Tenor

Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 1. März 2006 – 6 F 4/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe kann nicht entsprochen werden, da das eingelegte Rechtsmittel von Anfang an keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 1.3.2006 – 6 F 4/06 –, mit dem ihr Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, mit der Einleitung von Abschiebungsmaßnahmen zu warten, bis über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtskräftig und unanfechtbar entschieden worden ist, zurückgewiesen wurde, ist nicht begründet.

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin im Wesentlichen die Feststellung des Verwaltungsgerichts angegriffen, dass sie reisefähig sei und ihrer vom Antragsgegner beabsichtigten Abschiebung unter Assistenz eines die Abschiebung begleitenden Arztes nichts im Wege stehe, wobei lediglich die Einschränkung gemacht worden sei, dass in der konkreten Abschiebungssituation der anwesende Arzt ausschließlich für die weitere Durchführung der Abschiebung verantwortlich zeichne. Dem stehe, so die Antragstellerin, ihre Vorgeschichte entgegen. Sie stamme aus Algerien und halte sich seit 1994 in Deutschland auf. Bei dem Versuch ihrer Abschiebung mit ihrer Familie in der Nacht vom 3.8./4.8.2004 sei das Geschehen eskaliert. Sie habe sich, während ihre Familie zum Flughafen gebracht worden sei, in einem akuten Erregungszustand mit Suizidalität in der Küche mit drei Messern verbarrikadiert, die sie gegen ihre Halsschlagader und ihre Leber gerichtet habe, und gedroht, sich umzubringen. Nach 16 Stunden sei sie kollabiert und notfallärztlich versorgt und seitdem nervenärztlich – teilweise stationär – behandelt worden. Es sei festgestellt worden, dass sie unter einer akuten Belastungsreaktion, einer Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt, leide. Eine vom Antragsgegner eingeholte ärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamtes unter Mitwirkung des Neurologen Dr. D – nach dem Schreiben des Gesundheitsamtes des Stadtverbands A-Stadt vom 24.8.2005 lautet der Name seines Vertragsarztes „Dr. D” – habe zwar grundsätzlich die Reisefähigkeit der Antragstellerin bejaht, aber auf die Notwendigkeit eines Begleitarztes bei einer erneuten Abschiebung hingewiesen. Ob es, so die Antragstellerin weiter, mit dem standesrechtlichen Denken eines gewissenhaften Arztes vereinbar sei, der seinen Eid darauf geleistet habe, dem Menschen nach bestem Wissen und Gewissen zu helfen bzw. ihn zu heilen, müsse stark bezweifelt werden. Auch müsse er bei seinem Handeln eine Güterabwägung vornehmen, die ihn in die Nähe der Tatbestandsverwirklichung der fahrlässigen Tötung bringen könne. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass es vorliegend schon einmal zu einer Eskalation mit beinahe tödlichem Ausgang gekommen sei und mit einer Wiederholung nach dem Gutachten des Dr. D bei einer erneuten Abschiebung zu rechnen sei. Die verwaltungsgerichtliche Argumentation könne nur für einen Vorgang gelten, der mit dem Begleitarzt zum ersten Mal durchgeführt werde. Da die Antragstellerin unstreitig psychisch krank sei, bestehe bei einer erneuten Abschiebung die Gefahr eines psychischen Zusammenbruchs und eine konkrete Suizidgefährdung. Eine ärztliche Begleitung bei der Abschiebung könne den durch die Abschiebung begründeten Gefahren nicht hinreichend begegnen, was zunächst für die Gefahr eines Suizids vor der eigentlichen Abschiebung gelte. Aber auch an der nach den ärztlichen Stellungnahmen bestehenden Gefahr einer erheblichen Dekompensation werde dadurch nichts geändert. Es stelle sich auch die Frage, ob einem Arzt zugemutet werden könne, der Antragstellerin gewaltsam Medikamente intravenös zu verabreichen, um sie völlig ruhig gestellt abschieben zu können. Die Ausreise der Antragstellerin sei insgesamt betrachtet aus tatsächlichen Gründen unmöglich, so dass ein inlandbezogenes Vollstreckungshindernis vorliege.

Auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung, durch die der Prüfungsumfang des Senats gemäß § 146 IV 6 VwGO festgelegt wird, hat es bei dem erstinstanzlich gefundenen Ergebnis zu bleiben. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass der Antragstellerin der erforderliche Anordnungsanspruch fehlt, da ihre Abschiebung nicht unmöglich im Sinne des § 60a II AufenthG ist. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss wird vorab Bezug genommen. Soweit die Beschwerdebegründung, die keine neuen Tatsachen enthält, die ethische Zumutbarke...

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