Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Vergleich über Hauptsache und vorgerichtliche Kosten
Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob § 15 RVG auf sog. "Altfälle" Anwendung findet, kann unentschieden bleiben, wenn eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV vorzunehmen ist.
Normenkette
RVG § 15a Abs. 2; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 01.10.2008; Aktenzeichen 8 O 208/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen Beschluss des LG Saarbrücken vom 1.10.2009 - 8 O 208/08 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 492,70 EUR.
Gründe
I. In dem Verfahren 8 O 208/08 des LG Saarbrücken nahm der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 22.9.2006 - die Beklagte zu 1.als Fahrerin, die Beklagte zu 2. als Haftpflichtversicherer - in Anspruch. Ausweislich der Klageschrift nebst beigefügten Anlagen machte der Kläger zudem "als Nebenforderung einen Betrag i.H.v. 1.196,43 EUR geltend", nämlich den "nicht festsetzungsfähigen Teil der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr gem. der in der Anlage beigefügten Berechnung" aus einem Gegenstandswert von 27.193,87 EUR (Bl. 12, 83 d.A.).
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und mündlicher Verhandlung stellte das LG nach Maßgabe seines Vergleichsvorschlags vom 21.7.2009 durch Beschluss vom 30.7.2009 gem. § 278 Abs. 6 ZPO fest, dass sich die Parteien auf folgenden Vergleich geeinigt haben:
"1. Die Beklagten verpflichten sich als Gesamtschuldner, an den Kläger 35.000 EUR zu zahlen.
2. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis, gegenwärtig oder zukünftig, bekannt oder unbekannt, endgültig abgegolten.
3. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits."
Den Streitwert setzte das LG mit Beschluss vom 24.8.2009 auf 37.193,87 EUR fest.
Mit am 31.8.2009 eingegangenem Kostenfestsetzungsantrag begehrt der Kläger u.a. die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert von 37.193,87 EUR (Bl. 198 d.A.).
Die Beklagten haben demgegenüber darauf verwiesen, dass der Kläger bereits in der Klageschrift die für die außergerichtliche Tätigkeit angefallene Gebühr nach RVG-VV 2300 als Nebenforderung geltend gemacht habe, so dass in Folge der vergleichsweise getroffenen Regelung (Ziff. 2 des Vergleichs) auch diese Ansprüche abgegolten seien und nach der Rechtsprechung des BGH eine Anrechnung zu erfolgen habe.
Der Kläger hat demgegenüber darauf verweisen, dass nach Einführung des § 15a RVG, der auch für "Altfälle" gelte, eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich nicht erfolge; eine der in dieser Vorschrift geregelte Fallkonstellationen, unter denen eine Anrechnung in Betracht komme, liege nicht vor.
Das LG - Rechtspflegerin - hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1.10.2009, auf den Bezug genommen wird (Bl. 204 ff. d.A.), die von den Beklagten nach dem Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO vom 30.7.2009 als Gesamtschuldner an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 5.741,80 EUR nebst Zinsen festgesetzt und hierzu ausgeführt, dass der auch auf vor seinem Inkrafttreten noch nicht abgeschlossene Kostenfestsetzungsverfahren anwendbare § 15a RVG in der Variante "beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden" deshalb einschlägig sei, weil die Geschäftsgebühr mit eingeklagt und die Verfahrensgebühr ohne derartige Anrechnung zur Festsetzung beantragt worden sei; eine Anrechnung habe i.H.v. 492,70 EUR - unter entsprechender Ermäßigung der Mehrwertsteuer - zu erfolgen.
Gegen den ihm am 9.10.2009 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss (Bl. 212 d.A.) hat der Kläger mit am 13.10.2009 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und diese unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 2.9.2009 (II ZB 35/07) damit begründet, dass ihm in diesem Verfahren eine Geschäftsgebühr weder zugesprochen noch erstattet worden sei.
Das LG - Rechtspflegerin - hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen OLG zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 216 d.A.).
II. Die gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 576, 569 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Rechtspflegerin des LG hat zu Recht eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorgenommen und bei der Festsetzung der an den Kläger zu erstattenden Kosten, gegen deren Festsetzung im Übrigen nichts erinnert wird, die Geschäftsgebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr angerechnet.
1. Mit der Verkündung des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30.7.2009 (BGBl. I vom 4.8.2009, S. 2449 ff.) ist in das RVG § 15a eingefügt worden und...