Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO können dem Beklagten die Kosten der durch sein Verhalten objektiv veranlassten Klage unter reziproker Anwendung des § 93 ZPO auch dann auferlegt werden, wenn der Grund der Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit eingetreten und die Klage daher von Anfang an unbegründet gewesen ist.
Normenkette
ZPO §§ 91a, 93
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 19.08.2024; Aktenzeichen 9 O 301/23) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 19. August 2024 - 9 O 301/23 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat die Beklagte, seine Schwester, im zugrunde liegenden Rechtsstreit - nach antragsgemäßer Bewilligung von Prozesskostenhilfe - auf Zustimmung zur Eintragung eines Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts in Anspruch genommen. Die Beklagte ist aufgrund eines notariellen Erbvertrages der im Jahre 2006 und 2020 verstorbenen Eltern der Parteien deren alleinige (Schluss-)Erbin geworden. In dem Erbvertrag (UR xxx des Notars H., S. = Bl. 59 ff. GA-I) wurde ihr u.a. zur "Auflage" gemacht, dem Kläger ein lebenslanges Wohnungsrecht für die gesamte abgeschlossene - dort näher bezeichnete - Wohnung im Erdgeschoss des Hausanwesens "L., 6. sowie ein Mitbenutzungsrecht an den gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen einzuräumen; diese Rechte sollen nach dem Erbfall an bereitester Rangstelle im Grundbuch eingetragen werden (Bl. 61 GA-I). Mit Schreiben der Notarin E., S., vom 20. Oktober 2023 teilte diese dem Kläger mit, dass sie die Beklagte angeschrieben und um Mitteilung gebeten habe, ob eine Vermächtniserfüllungsurkunde durch sie vorbereitet werden solle, und dass sie bislang keine Antwort darauf erhalten habe (Bl. 63 GA-I). In der Folge reichte der Kläger am 29. Dezember 2023 einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf "Erfüllung eines Vermächtnisses" zum Landgericht Saarbrücken ein (Bl. 2 ff. GA-I). Ihr ihrer Stellungnahme vom 12. März 2024 teilte die Beklagte daraufhin mit, dass der Anspruch auf Eintragung des Wohnrechts bestehe, sie der Eintragung auch zustimmen werde und dass sie einen entsprechenden Auftrag bei der vorgenannten Notarin erteilt und auch eine entsprechende Bestätigung von dieser erhalten habe (zwei Schreiben vom 12. März 2024, Bl. 17, 18 GA-I) und sie daher kein Rechtsschutzbedürfnis für die beabsichtigte Klage sehe.
Der Kläger hat nach antragsgemäßer Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Beschluss des Landgerichts vom 2. Mai 2024, Bl. 44 f. GA-I) am 22. Mai 2024 Klage eingereicht mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Eintragung des - dort näher bezeichneten - Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts zuzustimmen und die Eintragung des Klägers im Grundbuch zu bewilligen (Bl. 53 ff. GA-I). Nach Zustellung der Klage am 14. Juni 2024 (Bl. 77 GA-I) hat die Beklagte mitteilen lassen, dass der Antrag auf Eintragung des Wohnrechts zwischenzeitlich beurkundet worden und insoweit Erledigung eingetreten sei (Bl. 74 GA-I). Am 28. Juni 2024 hat sie ihre Absicht zur Verteidigung gegen die Klage angezeigt (Bl. 81 GA-I). Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2024 hat sie auf Klagabweisung angetragen mit der Begründung, die Beurkundung des Wohnrechts sei in der KW 24 erfolgt; die Kosten des Rechtsstreits seien dem Kläger aufzuerlegen, weil sie sich bei Klageeinreichung nicht im Verzug befunden und auch keine Veranlassung zur Klage gegeben habe (Bl. 87 f. GA-I). In der Folge haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenantrag gestellt (Bl. 93 f, 100 f. GA-I).
Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 115 f. GA) hat das Landgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Diese habe die Kosten zu tragen, da die Klage zulässig und begründet gewesen sei. Eine Anwendung der Kostentragungsregelung des 93 ZPO zugunsten der Beklagten komme nicht in Betracht, nachdem die Darstellung des Klägers, wonach er die Beklagte mehrmals erfolglos aufgefordert habe, für eine Eintragung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts im Grundbuch zu sorgen, nicht widerlegt worden sei und sie angesichts ihres späten Tätigwerdens, lange nach dem Schreiben der Urkundsnotarin vom 20. Oktober 2023 und der Einleitung des Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens, auch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe.
Hiergegen richtet sich die am 28. August 2024 eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, die weiterhin darauf beharrt, keinen Anlass zur Klage gegeben, nämlich sich weder in Verzug befunden, noch den Anspruch bestritten oder gar die Leistung verweigert zu haben (Bl. 127 f. GA), zu der der Kläger Stellung genommen (Bl. 133 f. GA) und der das Landgericht mit Beschluss vom 19. September 2024 (Bl. 144 f. GA-I) nicht abgeholfen hat.
II. Die gemäß § 91a Abs. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die ersti...