Leitsatz (amtlich)
1. In Arzthaftungssachen, in denen der Richter in besonderem Maße der Hilfe von Sachverständigen bedarf, stellt es eine Notwendigkeit dar, das Ausmaß eines ärztlichen Fehlers in einer so deutlichen Sprache zu beschreiben, dass dieses auch für den medizinischen Laien deutlich wird.
2. Die Grenze zu einer beleidigenden Herabsetzung einer Partei ist dort zu ziehen, wo die Äußerung einer sachlichen Auseinandersetzung nicht mehr zugänglich ist.
3. Die Äußerung, "kein seriöser Wirbelsäulenchirurg" vertrete eine bestimmte Auffassung, rechtfertigt daher die Besorgnis der Befangenheit nicht.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 15.06.2004; Aktenzeichen 16 O 431/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Saarbrücken vom 15.6.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Beklagten zur Last.
Der Gegenstandswert für die Gebührenberechnung im Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 9.000 Euro.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Arzthaftungsansprüchen in Anspruch, nachdem sie sich in den Jahren 1999/2000 wegen einer persistierenden Lumboischialgie links betont in die Behandlung der Beklagten zu 1) begeben hat. Nach Darstellung der Klägerin seien anlässlich einer durchgeführten Myelographie, anlässlich der operativen Versorgung und anlässlich der nachoperativen Behandlung ärztliche Fehler begangen worden.
Das LG hat durch die Einzelrichterin am 24.6.2003 einen Beweisbeschluss gem. § 358a ZPO erlassen (Bl. 66 ff.), in dem die Einholung eines Sachverständigengutachtens u.a. zu der Behauptung der Klägerin angeordnet wurde, die angewandte Operationsmethode sei ungeeignet gewesen, da bei einem derart großen Operationsvorgang, wie er bei der Klägerin erforderlich geworden sei, eine ausreichende Stabilität durch die gewählte Methode nicht habe hergestellt werden können.
Der Sachverständige Prof. Dr. C. C., Leiter der Gutachtenambulanz an der Stiftung in H., erstattete am 2.3.2004 ein Gutachten, welches folgenden Passus enthält (S. 31 des Gutachtens, GA Bl. 124):
"Kein seriöser Wirbelsäulenchirurg wird heutzutage - und dies gilt auch für das Jahr 2000 - wie die Beklagten (Bl. 64) die Auffassung vertreten, dass bei einem Fall, wie dem vorliegenden, bei dem über 3 Segmente hinweg sämtliche dorsalen stabilisierenden Strukturen entfernt worden sind, die Notwendigkeit der Instrumentation überhaupt in Frage gestellt wird. Die von der Beklagten im Schreiben vom 20.6.2003 (Bl. 63 ff.) vorgelegte Literatur belegt dies im Übrigen auch nicht".
Die Beklagten nahmen zu dem ihrem Prozessbevollmächtigten am 17.3.2004 zugegangenen Gutachten mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 7.4.2004 Stellung. Dabei haben Sie den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und nur hilfsweise in der Sache zu dem Gutachten Stellung genommen. Die Beklagten haben vorgetragen, der Sachverständige sei u.a. deshalb befangen, weil dieser in der oben wiedergegebenen Textpassage die Beklagten als "unseriös" darstelle, was eine diskriminierende Formulierung sei, weil er in seinem Gutachten durch die umfassende Darstellung des Klägervortrages und das weitgehende Fehlen einer Darstellung des Beklagtenvortrages hinsichtlich des Operationsvorganges sein Gutachten einseitig gestaltet habe und er sich nicht mit allen von den Beklagten genannten Stellen in der medizinischen Fachliteratur befasst habe.
Das LG hat eine Stellungnahme des Sachverständigen zu den vorgetragenen Befangenheitsgründen eingeholt und auf sodann den Befangenheitsantrag zurückgewiesen. Aus den Ausführungen des Gutachters folge, dass dieser sich durchaus mit den Argumenten der Beklagten auseinandergesetzt habe, auch wenn er den Sachvortrag nicht vereinzelt wiedergegeben habe. Ein Gutachten müsse nicht wie der Tatbestand in einem richterlichen Urteil aufgebaut sein. Der Sachverständige habe auch seine Bereitschaft erklärt, sich mit den von der Beklagten angegebenen weiteren Literaturstellen, welche ihm nicht vorlägen, auseinanderzusetzen. Die beanstandete Formulierung sei nicht als diskriminierend zu bewerten, sondern diene lediglich der Dokumentation der Schwere des von dem Sachverständigen angenommenen Behandlungsfehlers.
Gegen diesen, den Beklagten am 24.6.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die mit am gleichen Tage eingegangenem Schriftsatz vom 8.7.2004 eingelegte sofortige Beschwerde. Wenn der Sachverständige es - wie hier - unterlasse, das im Einzelnen dargestellte Operationsverfahren in seinem schriftlichen Gutachten genau wieder zu geben und den Ausführungen des Klägers zu dem angeblichen Behandlungsfehlers entgegenzusetzen und wenn der Sachverständige es unterlasse, Literaturangaben der Beklagten zur Kenntnis zu nehmen und wenn der Sachverständige die gewählte Operationsmethode mit der Formulierung, dass kein "seriöser" Wirbelsäulenchirurg diese vertreten würde, diese abwerte, rechtfertige dies zumindest in der Gesamtbetrachtung die Befürchtung, d...