Leitsatz (amtlich)
1. Zu den formellen Voraussetzungen einer Einstellungsmitteilung.
2. Zu den Anforderungen an ein lauteres Verhalten des Versicherungsnehmer im Nachprüfungsverfahren gehört, greift er die dem Anerkenntnis zugrunde liegende, auf seinen Darstellungen beruhende Annahme von Berufsunfähigkeit als möglicherweise falsch an, die Richtigkeit der ursprünglichen medizinischen Gutachten mit konkreten Argumenten in Zweifel zu ziehen und die Auswirkung angeblicher Fehler darzutun.
3. Die bloße Möglichkeit erneuter Verschlechterungen des gesundheitlichen Zustands nimmt einem Versicherer nicht das Recht, seine Leistungen einzustellen.
4. Infolge Krankheit ist ein beamteter Versicherungsnehmer auch dann weiter berufsunfähig, wenn er wegen seines Leidens vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden ist und keinen Anspruch auf Reaktivierung besitzt.
Normenkette
VVG §§ 172, 174
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 12.06.2014; Aktenzeichen 14 O 267/11) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 12.06.2014 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 14 O 267/11 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil sowie das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 82.419,12 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente an den bei ihr versicherten Kläger zum 01.01.2012 einzustellen.
Der Kläger war Beamter (Amtsrat) und als Betriebsprüfer im Außendienst beim Finanzamt B.-W. tätig (siehe zu den Einzelheiten die ausführliche Tätigkeitsbeschreibung Bl. 45-52 d.A.). Er unterhält bei der Beklagten seit Oktober 1997 eine Risikolebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. AAAAAAA, Anlage K1, Anlagenband Kläger). Der Letzteren lagen unter anderem die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu Grunde (Anlage K4, Anlagenband Kläger; im Folgenden: BBUZ).
Sie lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 1 Was ist versichert?
(1) Wird der Versicherte während der Versicherungsdauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens fünfzig Prozent berufsunfähig, so erbringen wir folgende Versicherungsleistungen:
a) Volle Befreiung von der Beitragszahlungspflicht für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversicherungen;
b) Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente, wenn diese mitversichert ist. Die Rente zahlen wir monatlich im Voraus.
[...]
(4) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente erlischt, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50 % sinkt [...].
§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?
(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, einen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Die zu berücksichtigenden Kenntnisse und Fähigkeiten sind auf die Ausbildung und Erfahrung begrenzt.
[...]
§ 6 Bis wann können bei Meinungsverschiedenheiten Rechte geltend gemacht werden und wer entscheidet in diesen Fällen?
(1) Wenn derjenige, der den Anspruch auf die Versicherungsleistung geltend macht, mit unserer Leistungsentscheidung (§ 5) nicht einverstanden ist, kann er innerhalb von sechs Monaten nach Zugang unserer Entscheidung seinen Anspruch gerichtlich geltend machen.
(2) Läßt der Ansprucherhebende die 6-Monatsfrist verstreichen, ohne dass er seinen Anspruch gerichtlich geltend macht, so sind weiter gehende Ansprüche, als wir sie anerkannt haben, ausgeschlossen. Auf diese Rechtsfolge werden wir in unserer Erklärung nach § 5 besonders hinweisen.
§ 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen und den Grad der Berufsunfähigkeit [...] nachzuprüfen [...].
(2) Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte und einmal jährlich umfassende Untersuchungen des Versicherten durch von uns zu beauftragende Ärzte verlangen.
[...]
(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen, oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, stellen wir unsere Leistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 6 mit; sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn des darauf folgenden Versicherungsvierteljahres.
[...]"
Die Ehe des Klägers war über Jahre hinweg von Konflikten geprägt. In beruflicher Hinsicht empfand er die von Vorgesetzten...