Entscheidungsstichwort (Thema)
Irrtumsanfechtung bei Erbausschlagung
Normenkette
BGB §§ 119, 1953
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 22.09.2004; Aktenzeichen 3 T 313/04) |
AG Ahrensburg (Aktenzeichen 31-VI 165/03) |
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Lübeck vom 22.9.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Weiteren Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner.
Der Wert des weiteren Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist die Ehefrau, die Beteiligten zu 2) und 3) sind die einzigen Kinder des am 23.7.2003 verstorbenen Erblassers. Der Erblasser lebte im gesetzlichen Güterstand und hinterließ keine Verfügung von Todes wegen.
Am 22.8.2003 erklärten die Beteiligten zu 2) und 3) zu Protokoll des Beteiligten zu 4) (UR-Nr. 359/2003) die Ausschlagung ihrer Erbschaft nach dem Erblasser aus allen Berufungsgründen. Eine über diese Erklärung hinausgehende Begründung enthält die Urkunde nicht. Am selben Tag liess die Beteiligte zu 1) einen Erbscheinsantrag zu Protokoll des Beteiligten zu 4) beurkunden (UR.-Nr. 360/2003), wonach sie als Alleinerbin des Erblassers ausgewiesen werden wollte. Beide Urkunden gingen am 26.8.2003 beim Nachlassgericht ein.
Auf Anfrage des Nachlassgerichts nach weiteren gesetzlichen Erben erster bzw. zweiter Ordnung kündigte der Beteiligte zu 4) zunächst weitere Ausschlagungserklärungen an. Der Beteiligte zu 2) hat zwei am 21.6.1987 und am 19.6.1993 geborene Söhne, der Beteiligte zu 3) eine am 18.2.1990 geborene Tochter. Der Beteiligte zu 4) übersandte dann jedoch die am 12.9.2003 von den Beteiligten zu 2) und 3) zu seinem Protokoll (UR.-Nr. 382/2003) erklärten Anfechtungserklärungen betreffend die Erbausschlagung vom 22.8.2003. Darin heißt es zur Begründung:
"Bei Abgabe der Ausschlagungserklärung sind wir irrig davon ausgegangen, dass unsere Erklärung zum unmittelbaren Übergang unserer Erbteile auf unsere Mutter ... führe .... Wir werden jetzt darüber informiert, dass unsere Ausschlagungserklärung entgegen unserem Willen zu einem Übergang unserer Erbteile auf unsere Kinder ... führt."
Am 19.9.2003 gab die Beteiligte zu 1) einen weiteren Erbscheinsantrag zu Protokoll des Beteiligten zu 4) (UR-Nr. 389/2003), wonach sie als Erbin zu ½ und die Beteiligten zu 2) und 3) als Erben zu je ¼ ausgewiesen werden sollten.
Auf Hinweis des Nachlassgerichts, dass es die Anfechtung für unwirksam halte, und auf Nachfrage, ob es bei den Erbscheinsanträgen bleibe, teilte der Beteiligte zu 4) unter dem 16.3.2004 mit, der Erbscheinsantrag vom 19.9.2003 werde aufrecht erhalten.
Mit Beschl. v. 12.7.2004 hat das Nachlassgericht die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1) vom 22.8.2003 und 19.9.2003 zurückgewiesen. Die dagegen am 23.7.2004 eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das LG mit Beschl. v. 22.9.2004 ebenfalls zurückgewiesen. Die Anfechtung sei nicht wirksam, weil die Beteiligten zu 2) und 3) wegen ihrer Annahme, durch die Ausschlagung werde der Erbteil der Beteiligten zu 1) zugute kommen, nicht einem Inhaltsirrtum, sondern lediglich einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen seien.
Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.
II. Die gem. § 27 FGG zulässige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit das AG Ahrensburg in dem Beschl. v. 12.7.2004 den Erbscheinsantrag vom 22.8.2003 zurückgewiesen hat, ist allerdings übersehen worden, dass der Beteiligte zu 4) diesen Antrag bereits durch das als Antragsrücknahme zu wertende Schreiben vom 16.3.2004 wirksam zurückgenommen hatte. Daraus ist den Beteiligten aber kein Nachteil entstanden. Die Zurückweisung des verbleibenden Erbscheinsantrags vom 19.9.2003 ist fehlerfrei erfolgt. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind nicht Miterben nach dem Erblasser geworden. Sie haben die Erbschaft wirksam ausgeschlagen. Das LG hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Anfechtung der Ausschlagungserklärung mangels Anfechtungsgrundes unwirksam ist, weil die Beteiligten zu 2) und 3) bei Abgabe der Erklärung keinem beachtlichen Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 Abs. 1 BGB sondern lediglich einem unbeachtlichen Motivirrtum unterlegen waren.
Es ist allgemein anerkannt, dass der Irrtum des die Erbschaft ausschlagenden Miterben, sein Erbteil falle durch die Ausschlagung einem anderen Miterben an, keinen Irrtum über den Inhalt der Ausschlagungserklärung i.S.v. § 119 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. OLG Düsseldorf v. 8.1.1997 - 3 Wx 575/96, OLGReport Düsseldorf 1997, 85 = FamRZ 1997, 905; OLG Hamm v. 6.11.1997 - 10 U 52/97, FamRZ 1998, 771 f.; Staudinger/Otte, BGB, Neubearb. 2000, § 1954 Rz. 6; Leipold in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 1954 Rz. 6; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1954 Rz. 2; AK/Derleder, BGB, 1990, § 1954 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 1954 Rz. 3).
Eine Mindermeinung nimmt allerdings an, eine Erbausschlagung könne wegen Irrtums über den Inhalt der Erklärung angefochten werden, wenn der Erklärende angenommen habe, se...