Leitsatz (amtlich)

1. In der Rechtsschutzversicherung, in der die Deckung u.a. davon abhängt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (etwa § 18 Abs. 1 b) ARB 2010), ist wie im Prozesskostenhilferecht eine vorweggenommene Beweiswürdigung in eng begrenztem Rahmen zulässig (Anschluss an BGH, Urteil vom 16. September 1987, IVa ZR 76/86, VersR 1987, 1186).

2. Die Deckung kann versagt werden, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Versicherungsnehmers als ausgeschlossen erscheinen lässt und eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten selbst bezahlen müsste, wegen des absehbaren Misserfolgs der Beweisaufnahme von einer Prozessführung absehen würde.

3. So liegt es, bezogen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife im November 2021, in Ansehung der beabsichtigten Klage auf Rückabwicklung des Erwerbs eines Kraftfahrzeuges mit einem Euro5-Diesel-Motor vom März 2015, wenn das Fahrzeug keinem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes unterlag oder unterliegt, ein Software-Update nicht vorgesehen war oder ist, im Klagentwurf gegen die Feststellungen des Kraftfahrtbundesamtes eine Prüfstanderkennung behauptet und im Übrigen lediglich auf ein sog. Thermofenster sowie auf Messwerte im Realbetrieb verwiesen wird.

4. Bei der Entscheidung, ob bezogen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife Deckung zu gewähren gewesen wäre, sind künftige denkbare im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu der Frage unerheblich, ob Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG (1) in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine drittschützende Wirkung zukommen kann.

 

Normenkette

ARB 2010 § 18 Abs. 1 Buchst. a; EGRL 46/2007 Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1, Art. 46; EGV 715/2007 Art. 5 Abs. 2

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 24. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.952,99 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Senat weist die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 zurück, weil nach seiner einstimmigen Auffassung die Berufung. Offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, wieder die Fortbildung des Rechts auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Der Kläger kann von der Beklagten Gewährung vorgerichtlichen und erstinstanzlichen Deckungsschutzes für die Durchsetzung eines Rückabwicklungsanspruchs bezüglich des im März 2015 BMW 118 d und auf Erstattung von 800,39 EUR für einen Stichentscheid nicht verlangen.

Wegen der maßgeblichen Erwägungen - und auch wegen des Sachverhalts, des Berufungsvorbringens und der Anträge - wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 12. Mai 2022 verwiesen. Die Stellungnahme des Klägers vom 15. Juni 2022 führt zu nichts anderem:

1. Zunächst ist für die rechtliche Beurteilung auf den November 2021 abzustellen.

Maßgeblich ist - und davon geht auch der Kläger (Schriftsatz S. 4) aus - der Zeitpunkt der Bewilligungsreife. Das ist der hier Zeitpunkt, zu dem die Beklagte hinsichtlich aller Klagegegenstände eine ablehnende Entscheidung getroffen hatte, und das ist hier mit der Klagerwiderung vom 27. November 2021 erfolgt. Zu einem früheren Zeitpunkt musste sich die Beklagte keinesfalls erklären, dies schon deshalb nicht, weil sie nicht gehalten war, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Kläger ihre Fragen danach beantwortet hatte, ob das Fahrzeug einem Rückruf unterlag und ein Update erhalten hatte oder nicht (vgl. auch S. 5 des Hinweisbeschlusses).

2. Zu diesem Zeitpunkt hatte die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 18 Abs. 1b) ARB-RU 2010.

Das hat der Senat im Hinweisbeschluss (S. 7 bis 15) im Einzelnen dargelegt.

Soweit der Kläger (Schriftsatz S. 5) rügt, der Senat könne sich wegen des Bezugs zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife nicht auf "die neuere Rechtsprechung des BGH" stützen, geht das fehl. Der Senat hat ausschließlich Rechtsprechung des BGH vor dem November 2021 herangezogen, namentlich den - auch von der Beklagten für ihre Auffassung ins Feld geführten - Beschluss vom 19. Januar 2021, IV ZR 433/19.

Nicht mit einzubeziehen sind dagegen entgegen dem Petitum des Klägers (Schriftsatz S. 2f.) die rechtlichen Ausführungen des Generalsanwalts des EuGH in seinen Schlussanträgen zum Verfahren des EuGH C-100/21 vom 2. Juni 2022. Denn diese Erwägungen datieren nach der hier allein zu überprüfenden Entscheidung der Beklagten.

Unbehelflich ist d...

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