Leitsatz (amtlich)

Nichteinhaltung der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) als Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gegenüber Kunden eines Einkaufszentrums

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 253 Abs. 2, § 254 Abs. 1, §§ 280, 311

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 21. Juni 2016 geändert und - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR jeweils nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.05.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt mit seiner Klage Schmerzensgeld von der Beklagten.

Am 03.05.2014 stürzte der damals 74-jährige Kläger in der sog. "Alten Tonnenhalle" in L.. auf S..., deren Eigentümerin die Beklagte ist. In dem Gebäude befinden sich nach einem Umbau verschiedene Geschäfte. Einige davon liegen auf den Längsseiten des als Galerie gestalteten Obergeschosses. Die beiden Galerien sind durch Brückenübergänge verbunden. Der Übergang, an dem der Kläger zu Fall kam und sich eine Schenkelhalsfraktur zuzog, hatte ein 13 cm höheres Niveau als der Boden der Galerie und war an Front und Auftrittsfläche mit einer silberfarbenen Metallplatte mit geprägter Riffelung belegt.

Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil die Stufe nicht ausreichend kenntlich gemacht gewesen sei. Er hält wegen der erlittenen Verletzung und der von ihm behaupteten, als Folge des Unfalls dauerhaft verbleibenden Beinverkürzung ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000,00 EUR für angemessen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat nach persönlicher Anhörung des Klägers und Vernehmung der Ehefrau als Zeugin die Klage abgewiesen. Zum einen liege keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, denn die Stufe sei ausreichend erkennbar gewesen. Zum anderen stehe nicht fest, dass der Kläger wegen der Stufe gestürzt sei. Zudem treffe den Kläger ein Mitverschulden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen Klagantrag weiterverfolgt. Zu Unrecht habe das Landgericht nicht für erwiesen erachtet, dass der Kläger auf Grund der Stufe gestürzt sei. Auf die vom Gericht ins Feld geführten anderen theoretischen Ursachen könne es nicht ankommen. Der Zustand sei nicht baurechtskonform gewesen; er habe nicht den Anforderungen der DIN 18040 entsprochen. Die Beklagte habe den Übergang nach dem Unfall auch anders gestaltet und die Stufe entfernt. Außer Acht gelassen habe das Landgericht, dass der Kläger unmittelbar nach Verlassen des erleuchteten Reisebüros auf die nur ca. 1,40 m entfernte Stufe getroffen sei.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des Urteils angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld - mindestens aber 10.000 EUR - sowie

2. vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR

jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Der Senat hat zu der Behauptung einer dauerhaften Beinverkürzung ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H... eingeholt, auf das wegen seines Inhalts verwiesen wird.

II. Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger wegen des Unfalls vom 03.05.2014 ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 EUR zu zahlen.

Dieser Anspruch ergibt sich aus § 823 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder aus §§ 280, 241 Abs. 2, 311 BGB wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten im Rahmen der durch den Besuch der Tonnenhalle entstandenen Sonderverbindung der Parteien. Unterschiede ergeben sich dadurch regelmäßig (vgl. Palandt-Sprau, 75. Aufl., § 823 Rn. 49, Palandt-Grüneberg, § 241 Rn. 7) und auch hier nicht.

Die Beklagte hat die ihr als Eigentümerin obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich für Dritte eine Gefahrenlage schafft, hat im Rahmen des ihm Zumutbaren die allgemeine Pflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern. Eine solche Gefahrenlage besteht dann, wenn zu erwarten ist, dass der Dritte eine Gefahr nicht erkennen wird und sich deshalb nicht darauf einstellen kann. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles.

Soweit der Kläger auf die DIN 18065 bzw. DIN 18040 hinweist und daraus die Verpflichtung der Beklagten zur anderen Gestaltung des Übergangs herleiten will, folgt ihm der Senat nicht. Diese Regeln gelten nur für Treppen, um die es sich bei einer einzelnen Stufe nicht handelt (vgl. auch die Definiti...

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