Leitsatz (amtlich)

Zum substantiierten Vortrag einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung durch Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ein Fahrzeug (hier ein VW Passat 2,0 TDI mit einem Motor EA 288, Stickoxid-Speicherkatalysator, Erstzulassung 2015)

 

Normenkette

BGB § 826

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 07.05.2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen in sein Fahrzeug eingebauter unzulässiger Abschalteinrichtungen.

Der Kläger kaufte von der Fa. X am 21.09.2018 einen gebrauchten VW Passat 2,0 TDI zu einem Preis von 14.500,00 EUR. Das Fahrzeug wurde am 01.06.2015 erstmals zugelassen (Anlage K 1, AB). Es ist mit einem Motor EA 288 ausgestattet. Es ist in die Schadstoffklasse EU 6 eingeteilt.

In dem Motor wird der Stickoxidausstoß einerseits über eine Abgasrückführung minimiert. Dabei werden Abgase in den Verbrennungsraum zurückgeführt, was zu einer Abkühlung des Verbrennungsprozesses und dadurch zu einer verringerten Bildung von Stickoxiden führt. Andererseits steigt dadurch die Bildung von Rußpartikeln. Die Abgasrückführung wird über ein sogenanntes Thermofenster reguliert, d. h. abhängig u. a. von den Außentemperaturen verändert sich die Rate der Abgasrückführung. Die Beklagte hat das in den Fahrzeugen mit einem Motor EA implementierte Thermofenster am 16.01.2016 beim Kraftfahrt-Bundesamt vorgestellt.

Andererseits ist in dem Fahrzeug ein Stickoxid-Speicher-Katalysator (NSK) eingebaut. In diesem Katalysator werden Stickoxide eingelagert und bei hohen Temperaturen etwa alle 3 bis 10 km in Stickstoff und Kohlendioxid aufgespalten.

In bis zur 22. KW 2016 hergestellten Fahrzeugen enthielt die Motorsteuerung eine Fahrkurvenerkennung. Diese bewirkte, dass der NSK zum Ende der Vorkonditionierung regenerierte. Es wäre sonst innerhalb des NEFZ abhängig vom Füllstand zu Beginn zu zwei oder drei Regenerationen gekommen, sodass die Ergebnisse nicht mehr vergleichbar gewesen wären. Mit Applikationsrichtlinie vom 18.11.2015 (Anlage B 9, AB B), die beim Kraftfahrt-Bundesamt vorgestellt worden ist, entschied die Beklagte, diese für ab der 22. KW 2016 hergestellte Fahrzeuge nicht mehr zu verwenden. Seitdem erfolgt die Regeneration, wenn ein günstiges Fahrprofil unabhängig von der Beladung vorliegt, etwa bei der Konstantfahrt während des NEFZ. Die Regeneration zum Ende der Vorkonditionierung erfolgt nach wie vor.

Das Fahrzeug des Klägers ist von keinem Rückruf betroffen. Es gibt für vergleichbare Fahrzeugtypen freiwillige Kundendienstmaßnahmen (Bericht des Kraftfahrt-Bundesamts vom 10.02.2020, Anlage B 14, AB B; Kundeninformation Anlage B 15, AB B). Das Modell T 6 war von einem Rückruf wegen einer Konformitätsabweichung betroffen, weil festgestellt worden war, dass es bei der Regeneration des Partikelfilters zu höheren Stickoxidemissionen kam als angenommen.

Fahrzeuge mit Motoren EA 288 waren im Jahr 2016 Gegenstand der Untersuchungen, die nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals durchgeführt wurden. Dabei wurden Messungen mit leichten Abweichungen vom NEFZ durchgeführt, etwa mit anderen Geschwindigkeiten oder bei anderen Temperaturen. Die Grenzwerte wurden dabei jeweils eingehalten (Bericht der Untersuchungskommission Anlage B 1, AB B). In verschiedenen Auskünften bestätigte das Kraftfahrt-Bundesamt, dass in verschiedenen Fahrzeugtypen mit Motoren EA 288 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden seien (Anlagen B 3, B 13, B 21, B 22, B 23, B 27, AB B) und die Fahrkurvenerkennung keinen Einfluss auf die Emissionen habe (Anlagen B 6, B 7, B 8, B 19, B 20, B 24, B 25, B 26, B 28, AB B). Bei Abgasmessungen im Straßenverkehr durch verschiedene Organisationen wurden die Grenzwerte überschritten (Anlagen K 5 - K 11, AB K).

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über eine unzulässige Motorsteuerung, die im Kern wie bei dem Motor EA 189 funktioniere. Die Motorsteuerung erkenne den Lenkwinkel und die Temperatur oder Zeit in der Prüfungssituation, u. U. auch das Drehmoment. Nur dann werde die Abgasrückführung voll eingesetzt. Nur dadurch seien die Grenzwertüberschreitungen im Straßenverkehr erklärlich. Der Kraftstoffverbrauch und damit der Kohlendioxidausstoß seien im Straßenverkehr um 25 % höher als auf dem Prüfstand.

Durch das Thermofenster werde die Abgasreinigung ausgeschaltet oder zumindest eklatant verringert, wenn die Außentemperatur sich nicht zwischen den auf dem Prüfstand herrschenden 20 °C und 30 °C befinde. Bei 7 °C sei die Abgasrückführungsrate um bis zu 45 % reduziert, was aufgrund von Absprachen zwischen den Herstellern von Fahrzeugen der Daimler AG zu schließen sei. Die Abgasreinigung werde unter 15 °C und über 33 °C ausgeschaltet, bei anderen Typen unter 5 °C um bis zu 30 % reduziert.

Das On-Board-Diagnosesystem (OBD-System) sei so manipuliert, dass es die Abschalteinrichtung im Normalbet...

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