Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 12 O 260/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 04.08.2016 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert und wie folgt gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.951,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in der 1. Instanz trägt die Klägerin 67 %, der Beklagte 33 %. Von den Kosten des Rechtsstreits in der 2. Instanz trägt die Klägerin 61 %, der Beklagte 39 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 58.408,78 EUR festgesetzt

 

Gründe

I. Die Klägerin macht mit der Klage Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geltend.

Die zu diesem Zeitpunkt 86 Jahre alte Klägerin war vom 08.04. bis zum 11.04.2013 mit ihrem Ehemann Gast im vom Beklagten betriebenen Hotel in S1. Sie stürzte am 11.04.2013 gegen 21:45 Uhr bei dem Versuch, das Hotel durch eine gläserne Drehtür zu betreten. Die Klägerin hatte sich der Drehtür aus der Richtung des draußen angebrachten Treppengeländers von der Seite genähert und hierbei übersehen, dass die ebenfalls gläserne Einfassung der Drehtür dort keine Öffnung hatte. Sie stieß deshalb gegen diese Einfassung, wodurch sie stürzte. Dabei erlitt sie schwere Verletzungen, unter anderem eine Beckenfraktur und Verletzungen am Ellenbogen. Sie war wegen der Verletzungen in stationärer Krankenhaus- und anschließender stationärer Rehabilitationsbehandlung. Sie hat mit der Klage ein Teilschmerzensgeld und materiellen Schadensersatz geltend gemacht.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat nach Augenscheinseinnahme vom Unfallort und Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Verletzungen der Klägerin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte keine Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Die durchsichtige Tür im Eingangsbereich sei nicht weiter zu kennzeichnen gewesen, auch nicht durch Anbringung einer Markierung auf Augenhöhe. Die gesamte Drehtüranlage sei erkennbar gewesen. Ein vernünftiger Benutzer habe mit seitlichen Elementen rechnen und sich hierauf durch gesteigerte Sorgfaltsanstrengungen einstellen müssen. Die Anlage warne insgesamt vor sich selbst. Auch das seitliche gläserne Element sei für sich genommen aufgrund der baulichen Gestaltung hinreichend deutlich erkennbar, da es an der Unterseite über einen durchgehenden mehrere Zentimeter breiten weißen Rahmen verfügt habe, der sich von den dunklen Natursteinplatten des äußeren Eingangsbereichs abgesetzt habe. Auch der Blumenkübel an der Einfassung habe ein optisches Hindernis dargestellt. Die Arbeitsstättenverordnung, die eine Markierung der Glasflächen in Augenhöhe vorsehe, sei im Verhältnis des Beklagten zur Klägerin nicht anwendbar. § 38 Abs. 2 LBO Schleswig-Holstein, der eine Kennzeichnung von Glasflächen vorschreibe, greife nicht ein, wenn eine ausreichende Erkennbarkeit schon aufgrund der baulichen Gestaltung gegeben ist. Zudem sei ein Verstoß gegen die Landesbauordnung dem Beklagten nicht vorzuwerfen, da die Türanlage genehmigt worden sei.

Gegen die Klageabweisung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie ist der Ansicht, dass die technischen Regeln für Arbeitsstätten, die vorgeben, dass durchsichtige Türen in Augenhöhe gekennzeichnet werden müssten, auch hier zusätzliche Schutzmaßnahmen erfordert hätten. Der Beklagte habe eine Gefahrenquelle geschaffen, die mit einfachsten Mitteln durch Anbringung eines Markierungsstreifens auf der Glasfläche in Augenhöhe zu beseitigen gewesen sei. Die Fläche des weißen Rahmens sei im Verhältnis zur transparenten Gesamtfläche insgesamt verschwindend gering. Der bepflanzte Blumenkübel stelle keine optische Barriere dar, die den Weg der Klägerin versperrt habe. Die Landesbauordnung, die Unfallverhütungsvorschriften und die Arbeitsstättenverordnung müssten zur Bestimmung des Inhaltes und des Umfangs der dem Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht herangezogen werden. Das Landgericht habe zudem die Augenscheinseinnahme wiederholen müssen, nachdem der erkennende Richter einen anderen Eindruck von der Örtlichkeit gewonnen habe, als der Richter, der die Beweisaufnahme durchgeführt habe.

Die Klägerin beantragt,

das am 04.08.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Lübeck zu ändern und den Beklagten zu verurteilen,

1. an sie für den Zeitraum vom 11.04.2013 bis zum 08.11.2013 ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins...

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