1 Leitsatz

Wenn ein Zuschlag zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen erteilt wird, stehen Kündigungsbeschränkungen (hier: Ausschluss der Eigenbedarfskündigung), die der Mieter und der vormalige Eigentümer (Vermieter) vereinbart haben, der Ausübung des Sonderkündigungsrechts des Erstehers nach § 57a ZVG nicht entgegen.

2 Normenkette

§§ 57a, 90 Abs. 1 ZVG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer X und Mieter B schließen im Mietvertrag eine Eigenbedarfskündigung des X nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB aus. Wohnungseigentümer K erwirbt das Wohnungseigentum des X im Wege der Zwangsversteigerung nach § 90 Abs. 1 ZVG. Fraglich ist, ob eine Eigenbedarfskündigung trotz des Eigentümerwechsels auch weiterhin ausgeschlossen ist.

4 Die Entscheidung

Der BGH verneint die Frage! Der im Mietvertrag vereinbarte Ausschluss einer Eigenbedarfskündigung stehe der Eigenbedarfskündigung des K nicht entgegen. Das K als Ersteher zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG werde durch die Vereinbarung zwischen B und X nicht eingeschränkt. B könne im Verhältnis zu K lediglich den gesetzlichen Kündigungsschutz, nicht jedoch einen darüberhinausgehenden "vertraglichen Mieterschutz" für sich in Anspruch nehmen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall ist zunächst zu klären, was mit einem Mietvertrag geschieht, wenn der Vermieter sein Eigentum an einem Wohnungseigentum durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung verliert. Dann ist zu fragen, ob sich der Ersteher den ganzen Mietvertrag entgegenhalten lassen muss.

Folgen einer Zwangsversteigerung für einen Mietvertrag

Manch einer vermutet vielleicht, dass ein Mietvertrag durch die Zwangsversteigerung eines Wohnungseigentums untergeht. Dies ist aber nicht der Fall. Durch eine Zwangsversteigerung tritt der Ersteher nach der gem. § 57 ZVG entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 566 BGB – wenn der Mietgegenstand an den Mieter überlassen wurde – in ein zwischen dem Voreigentümer und dem Mieter bestehendes Mietverhältnis ein. Der Ersteigerer wird also von Gesetzes wegen Vermieter und Vertragspartei.

Diese Rechtsfolge könnte eine Zwangsversteigerung allerdings unattraktiv machen. Möchte der Ersteigerer beispielsweise die Wohnung selbst bewohnen, könnte er von seinem Gebot Abstand nehmen, wenn er noch jahrelang an einen bestehenden Mietvertrag gebunden wäre. Dieses Problem hat der Gesetzgeber gesehen. Der Ersteher ist aus diesem Grund gem. § 57a Satz 1 ZVG berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Dies geht allerdings nicht lange gut. Denn die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn sie nicht bereits für den ersten Termin ausgesprochen wird, für den sie zulässig ist (§ 57a Satz 2 ZVG).

Macht der Ersteigerer von seiner Kündigungsmöglichkeit rechtzeitig Gebrauch, sind nach § 573d Abs. 1 BGB – von dem hier nicht gegebenen Fall der Kündigung gegenüber Erben des Mieters abgesehen – §§ 573, 573a BGB entsprechend anzuwenden. Damit kommt die Eigenbedarfskündigung in den Blick.

Zwangsversteigerung und vereinbarter Kündigungsausschluss

Der BGH klärt mit der Entscheidung, dass der Eintritt des Erstehers in das Mietverhältnis zwischen dem ehemaligen Wohnungseigentümer und dessen Mieter nicht bewirkt, dass das Sonderkündigungsrecht nach § 57a Satz 1 ZVG aufgrund mietvertraglicher Kündigungsausschlüsse oder -beschränkungen entfällt. Zur Begründung gibt der Mietrechtssenat an, der Ersteher erwerbe das Wohnungseigentum nicht rechtsgeschäftlich, sondern kraft staatlichen Hoheitsaktes durch den Zuschlag (§ 90 Abs. 1 ZVG). Als privatrechtsgestaltender Hoheitsakt bestimme der Zuschlagsbeschluss die Rechtsstellung des Erstehers und die Änderungen, die durch den Zuschlag an den Rechten der Beteiligten eintreten.

6 Entscheidung

BGH, Urteil v. 15.9.2021, VIII ZR 76/20

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