Rz. 331
Der Vermieter kann Ansprüche auch in einem beschleunigten Verfahren mit eingeschränkten Beweismitteln, dem sog. Urkundenprozess, geltend machen, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen unstreitig sind oder durch Urkunden bewiesen werden können. Unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen bedürfen im Urkundenprozess keines Beweises durch Urkunden (OLG Köln, Beschluss v. 10.6.2014 , I-11 U 74/14, Juris). Das sehen die §§ 592 bis 600 ZPO vor, die auch für die Mietzahlungsansprüche des Vermieters gelten (für Wohnraummiete: BGH, Urteil v. 20.12.2006, VIII ZR 112/06, NJW 2007, 1061; BGH, Urteil v. 1.6.2005, VIII ZR 216/04, GE 2005, 986; AG Saarbrücken, Urteil v. 13.4.2016, 3 C 313/15, WuM 2016, 415 Rn. 23; für Geschäftsraummiete: BGH, Urteil v. 16.2.2022, XII ZR 17/21, NZM 2022, 292; vgl. auch Börstinghaus, NZM 1998, 89 [90]).
Rz. 332
Statthaftigkeit des Urkundenprozesses
Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses steht nicht entgegen, dass der Mieter Mängel der Mietsache behauptet (BGH, Urteil v. 16.2.2022, XII ZR 17/21, a.a.O). Denn die Mangelfreiheit der Mietsache gehört nicht zu den zur Begründung des Anspruchs auf Miete erforderlichen Tatsachen, die durch Urkunden belegt werden müssen (LG Hagen, Urteil v. 15.4.2021, 21 O 103/20, BeckRS 2021, 21279); vielmehr begründet die infolge der Mangelhaftigkeit eintretende Mietminderung eine materiell-rechtliche Einwendung des Mieters gegen die Forderung auf Mietzahlung, die im (Urkunden-)Prozess von dem Mieter darzulegen und ggf. zu beweisen ist (BGH, Urteil v. 1.6.2005, VIII ZR 216/04, NJW 2005, 2701).
Die Mietzahlungsklage des Vermieters ist daher im Urkundenprozess auch bei wegen behaupteter anfänglicher Mängel der Mietsache geltend gemachter Minderung oder erhobener Einrede des nicht erfüllten Vertrages jedenfalls dann statthaft, wenn entweder unstreitig ist, dass der Mieter die Mietsache als Erfüllung angenommen hat, ohne die später behaupteten Mängel zu rügen, oder wenn der Vermieter ein solches Verhalten des Mieters durch Urkunden beweisen kann - wie etwa durch ein Übergabeprotokoll oder Kontoauszüge, aus denen sich ergibt, dass der Mieter zunächst die ungeminderte Miete gezahlt und damit die Mietsache als Erfüllung angenommen hat (BGH, Urteil v. 12.6.2013, XII ZR 50/12, NZM 2013, 614; BGH, Urteil v. 20.10.2010, VIII ZR 111/09, GE 2011, 53; BGH, Urteil v. 8.7.2009, VIII ZR 200/08, VIII ZR 266/08, GE 2009, 1183; ständige Rspr.). Der Urkundenprozess ist bei unstreitigen oder urkundlich belegten Mängeln der Mietsache auch dann statthaft, wenn das Gericht gegebenenfalls schon mit den im Urkundenprozess zu Gebote stehenden Mitteln - zu denen auch die Schätzung nach § 287 ZPO gehört - in der Lage sein wird, das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung durch den unstreitigen bzw. urkundlich belegten Mangel zu bestimmen (zweifelnd BGH, Beschluss v. 16.10.2013, XII ZR 64/12, GE 2013, 1582). Allerdings ist die im Urkundenprozess erhobene Mietzahlungsklage dann unstatthaft, wenn der Vermieter bei unstreitigen Mängeln, die die vertraglich vereinbarte Nutzung erkennbar vollständig aufheben, die behauptete Verursachung durch den Mieter mit den Beweismitteln des Urkundenprozesses nicht beweisen kann (BGH, Beschluss v. 16.10.2013, XII ZR 64/12, a.a.O.).
Rz. 333
Die Klage im Urkundenprozess ist auch dann nicht statthaft, wenn die Wirksamkeit des Mietvertrages und damit auch die Wirksamkeit der Urkunde, aus der Ansprüche hergeleitet werden, im Streit ist (OLG Köln, Urteil v. 30.3.2012, I-1 U 77/11, ZMR 2012, 701). Unerheblich ist, ob die Bruttowarmmiete, Bruttokaltmiete einschließlich Vorschüssen für Heiz- und Warmwasserkosten, Nettomiete einschließlich Vorschüssen für "kalte Betriebskosten", die Nettomiete einschließlich der als Pauschale gesondert ausgewiesenen Betriebskosten geltend gemacht wird. Vorschüsse können jedoch nur bis zur Abrechnungsreife (vgl. dazu § 556 Rn. 66) geltend gemacht werden.
Rz. 334
Auch der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung von Betriebskostenvorschüssen kann im Wege des Urkundenprozesses geltend gemacht werden. Dazu dürfte es ausreichen, dass der Mieter eine Betriebskostenabrechnung des Vermieters vorlegt, aus der sich für ihn ein Guthaben ergibt. Dagegen reicht es nicht aus, dass der Mieter bei fortdauerndem Mietverhältnis urkundlich belegt, dass der Vermieter nicht innerhalb der Abrechnungsfrist abgerechnet hat. Denn allein daraus ergibt sich kein Rückzahlungsanspruch (BGH, Urteil v. 29.3.2006, VIII ZR 191/05, GE 2006, 844 = WuM 2006, 383).
Anders ist es bei einem bereits beendeten Mietverhältnis. Rechnet der Vermieter nicht fristgerecht über die Betriebskosten eines Abrechnungszeitraumes ab, so kann der Mieter, wenn das Mietverhältnis beendet ist, sogleich die vollständige Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen verlangen.
Er ist nicht gehalten, zuerst auf Abrechnung zu klagen (BGH, Urteil v. 9.3.2005, VIII ZR 57/04, GE 2005, 543 = NJW 2005, 1499 = NZM 2005, 373 = WuM 2005, 337). Insowei...