Entscheidungsstichwort (Thema)

Beurteilungsermessen im Beweissicherungsverfahren

 

Normenkette

ZPO §§ 412, 485 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 04.10.2005; Aktenzeichen 10 OH 12/03)

 

Tenor

Die Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Der Beschwerdewert beträgt 11.344,80 EUR.

 

Gründe

Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Antragsgegner der Beschwerdeweg bereits deshalb versagt ist, weil die von ihm beantragte erneute (und vom LG zurückgewiesene) Begutachtung das gleiche Beweisthema betrifft, also nicht über den Gegenstand der bisherigen Beweisaufnahme hinausgeht. In diesem Fall lehnen der überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung und Werner/Pastor die Zulässigkeit einer Beschwerde bereits ab (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 96; OLG Frankfurt v. 22.1.1996 - 1 W 38/95, OLGReport Frankfurt 1996, 82 [83]; OLG Köln OLGReport Köln 2002, 128 [129]; OLG Hamm v. 16.3.2001 - 20 W 32/00, OLGReport Hamm 2001, 251; OLG Düsseldorf v. 12.9.1997 - 22 W 48/97, OLGReport Düsseldorf 1998, 38 = NJW-RR 1998, 933; zit. nach Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rz. 236 zu Rz. 96; a.A. (d.h. für Ergänzung des Gutachtens) noch OLG Köln BauR 1988, 591).

Jedenfalls ist die Beschwerde des Antragsgegners aber unbegründet. Dem Antragsgegner ist zuzugestehen, dass ihm im Beweissicherungsverfahren eigene Rechte - auch auf Gegenanträge (OLG Hamburg v. 9.2.2001 - 14 W 10/01, MDR 2001, 1012 = OLGReport Hamburg 2001, 256) - zustehen; auch ist auf Antrag des Antragsgegners Termin anzuberaumen und der Sachverständige mündlich zu hören. Das ist hier geschehen. Der Sachverständige B. ist im Termin vom 8.6.2004 (auch) zu den Fragen des Antragsgegners angehört worden. In Einverständnis mit dem Antragsgegner ist im gleichen Termin vereinbart worden, dass sich der Sachverständige B. nochmals schriftlich mit Fragen aus dem Schriftsatz vom 5.4.2004, dort Teil II., 1-4 (vgl. Bl. 68 d.A.) eingehend befassen sollte. Auch das ist geschehen. Der Sachverständige B. hat sich in einem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 4.2.2005 zu den vorgenannten Fragen und dem weiteren Schriftsatz des Antragsgegners vom 7.7.2004 (vgl. Bl. 123 ff. d.A.) ausführlich geäußert und die gestellten Fragen im Einzelnen beantwortet. Dabei ist der Sachverständige bei seinem bisher schon festgestellten Ergebnis geblieben, dass trotz wärmetechnischer Nachrüstung der Außenwand (durch Aufbringung eines Dämmunterputzes) den Anforderungen der Wärmeschutzverordnung nicht in vollem Umfang Genüge getan wurde. Andererseits hatte er in seinem Hauptgutachten vom 28.1.2004 bereits differenziert, dass die Schimmelpilzbildung in der Küche durch Mieterverhalten verursacht wurde.

Soweit der Antragsgegner nach wie vor die Beantwortung der Fragen durch den Sachverständigen für nicht befriedigend hält und das Ergebnis der Nichteinhaltung der Wärmeschutzverordnung als Mängelursache in Frage stellt und daraus auf die Unbrauchbarkeit des Gutachtens B. schließen will, teilt das LG diese Würdigung nicht und hat deshalb eine erneute Begutachtung abgelehnt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Unbeschadet von der oben aufgeworfenen Frage, ob gegen die Ablehnung einer weiteren Begutachtung schon deswegen der Beschwerdeweg nicht offen steht, weil rein gegenständlich kein Beweisantrag über neue Tatsachen, sondern lediglich eine erneute Begutachtung über bereits benannte Tatsachen beantragt wurde, finden die Rechte des Antragsgegners im Beweissicherungsverfahren ihre Grenze in §§ 485 Abs. 3, 412 ZPO. Das bedeutet, dass bei Identität der Beweisthemen, also bei bereits angeordneter Begutachtung über ein Beweisthema und erfolgter Begutachtung, der Antrag auf ein neues Gutachten ausschließlich nach § 412 ZPO zu beurteilen ist. Dem Gericht ist hierzu ein Ermessen eingeräumt. Das Ermessen betrifft die Würdigung, ob das eingeholte Gutachten, ergänzt durch die mündliche Anhörung, ungenügend ist (Zöller/Greger, ZPO-Komm., 3. Aufl. § 412 Rz. 1; § 286 Rz. 13; § 402 Rz. 7a). Hierbei hat der Richter nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist, im Übrigen aber die im Verfahren gewonnenen Erkenntnisse ohne Bindung an die hierfür angebotenen Beweise und gesetzlichen Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Ein Sachverständigengutachten unterliegt dabei seiner freien Beweiswürdigung. Nur bei einem unvollständigen oder unverständlich erscheinenden Gutachten ist ein Gutachten zu ergänzen, ggf. ein weiteres Gutachten einzuholen (BGH v. 27.3.2001 - VI ZR 18/00, MDR 2001, 888 = BGHReport 2001, 456 = NJW 2001, 2791). Das Gericht hat hierbei zwar auch auf Widersprüche zu einem von Parteiseite vorgelegten Privatgutachten hinzuwirken (BGH NJW 1996, 1597). Hierbei ist jedoch für das vorliegende Verfahren - auf Beweissicherung - noch zu beachten, dass hier grundsätzlich...

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