Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
Das vereinfachte Verfahren ist unzulässig, wenn die Angaben in dem Antrag nicht der Wahrheit entsprechen und der wahre Sachverhalt die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren nicht rechtfertigt.
Zulässigkeitsvoraussetzung für die Geltendmachung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren ist nach dem Gesetzeswortlaut (§ 250 Abs. 1 Nr. 12 FamFG), dass das Kind/die Kinder u.a. während des Zeitraums, für den Unterhalt verlangt wird, keine Hilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch erhalten haben.
Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2007, 377) ist eine doppelte Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen mittels Kostenbeitrages einerseits und Unterhaltsanspruchs andererseits ausgeschlossen.
Normenkette
FamFG § 252 Abs. 1 Nr. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 12
Verfahrensgang
AG Gotha (Beschluss vom 02.04.2012; Aktenzeichen 19 FH 10/12) |
Tenor
I. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Gotha vom 2.4.2012 - 19 H 10/12, Ziff. II a., wird hinsichtlich der Antragstellerin zu 1.) aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin zu 1.) auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren wird zurückgewiesen.
II. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Gotha vom 2.4.2012 - 19 H 10/12, Ziff. II. b., wird hinsichtlich der Antragstellerin zu 2.) für die Zeit vom 1.1.2012 bis 20.7.2012 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin zu 2.) auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren für die Zeit vom 1.1.2012 bis 20.7.2012 wird zurückgewiesen.
III. Die weiter gehende Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
IV. Für das Beschwerdeverfahren wird von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen; außergerichtliche Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.
V. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf (2 × [13 × 230 EUR =] 2990 EUR =) 5980 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG für die Antragstellerinnen Unterhalt im vereinfachten Verfahren für die Zeit ab dem 1.1.2012 i.H.v. je 230 EUR monatlich festgesetzt.
Gegen die Festsetzung von Unterhalt ab dem 1.1.2012 wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde und führt an, er zahle jeden Monat Unterhalt an das Landratsamt Gotha für L. R. i.H.v. 185 EUR und für T. R. i.H.v. 138 EUR. Beide Töchter seien in Einrichtungen auswärts untergebracht.
Das Landratsamt, Jugendamt Gotha hat am 4.6.2012 erklärt, L. habe sich seit Juli 2010 in einer therapeutischen Wohngruppe in Mühlhausen befunden. Für sie habe das Jugendamt Gotha gem. § 35a SGB VIII Leistungen gewährt. Der Antragsgegner sei mit Bescheid vom 29.7.2010 zu einem monatlichen Kostenbeitrag i.H.v. 185 EUR aufgefordert worden. Das Kind L. befinde sich seit dem 21.7.2012 wieder im Haushalt der Kindesmutter.
T. befinde sich seit August 2009 in einer Sprachheilschule mit Lernförderung in Keilhau. Das Sozialamt Gotha gewähre für sie Leistungen gem. § 53 SGB XII. Mit Bescheid vom 1.10.2009 sei der Antragsgegner zur Kostenerstattung in monatlicher Höhe von 92 EUR aufgefordert worden.
Das AG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.10.2012, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, nicht abgeholfen (Bl. 23 - 24d A).
II. Die gem. § 252 S. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist teilweise begründet und führt dazu, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Antragstellerin zu 1.) in vollem Umfange und hinsichtlich der Antragstellerin zu 2.) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange aufzuheben ist.
Zulässigkeitsvoraussetzung für die Geltendmachung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren ist nach dem Gesetzeswortlaut (§ 250 Abs. 1 Nr. 12 FamFG), dass das Kind/die Kinder u.a. während des Zeitraums, für den Unterhalt verlangt wird, keine Hilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder Hilfe zur Erziehung oder Eingliederungshilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch erhalten haben.
Schon wenn ein Antrag auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren eingeht, muss der Rechtspfleger die Zulässigkeit des Verfahrens beachten. Zwar hat die Kindesmutter mit der Unterzeichnung des Antragsformulars bestätigt, dass die Antragstellerinnen aufgeführte Leistungen nicht bezogen haben, so dass der Rechtspfleger die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens nicht erkennen konnte.
Nachdem sowohl der Antragsgegner als auch das gem. § 18 des Kinder- und Jugenhilfegesetzes die Antragstellerinnen beratende Jugendamt mitgeteilt haben, dass entsprechende Leistungen für beide Kinder gewährt wurden, kann sich der insoweit gehörte Antragsgegner insoweit auf die Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens berufen (vgl. Zöller/Lorenz, ZPO, 29. Aufl., § 252 FamFG, Rz. 2).
Die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens in Bezug auf diesen Gesichtspunkt kann der Antragsgegner noch mit der Beschwerd...