1 Leitsatz
Hat der Verwalter keinen Vermögensbericht vorgelegt, widerspricht ein Entlastungsbeschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Der Pflicht zur Vorlage des Vermögensberichts kommt der Verwalter nicht bereits mit der Vorlage der Jahresabrechnung und einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach.
2 Normenkette
§ 28 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K greift mit einer Anfechtungsklage den Beschluss an, mit welchem dem Verwalter Entlastung erteilt wird (Entlastungs-Beschluss). Das AG gibt der Klage statt. Die Entlastung sei bereits deshalb nicht zu erteilen, weil es an dem Vermögensbericht fehle. Hiergegen wendet sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B mit ihrer Berufung. Zur Begründung trägt B vor, K habe die Jahresabrechnung vorgelegen. Zudem habe K umfangreiche Abrechnungsunterlagen erhalten.
4 Die Entscheidung
Die Berufung hat keinen Erfolg! Nach überwiegender Auffassung komme der Entlastung die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses im Sinne von § 397 Abs. 2 BGB zu. Damit seien zumindest Ansprüche, welche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bekannt gewesen seien, ausgeschlossen. Unstreitig widerspreche ein Entlastungs-Beschluss daher jedenfalls dann einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn noch Ansprüche aus dem Entlastungszeitraum bestünden. Zu diesen Ansprüchen gehörten auch Auskünfte oder Erklärungen, welche der Verwalter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schulde. Erfasst sei insoweit ebenfalls die Verpflichtung zur Erstellung des Vermögensberichts. Insoweit könne eine Entlastung nur dann erteilt werden, wenn der Vermögensbericht (§ 28 Abs. 4 WEG) umfassend und zutreffend erstellt worden sei. Diesen Anforderungen sei der Verwalter nicht gerecht geworden. B verkenne insoweit, dass der Vermögensbericht nicht Bestandteil der Jahresabrechnung oder von Auskunftsansprüchen, sondern ein separates Dokument sei, welches allen Wohnungseigentümern nach Ablauf des Abrechnungszeitraums zu übermitteln sei. Die Übersendung von Abrechnungsunterlagen ersetze den Vermögensbericht nicht. Auch eine mit der Berufung vorgelegte Einnahmen-/Ausgabenrechnung genüge nicht. Eine derartige Rechnung könne für das Verständnis der Jahresabrechnung hilfreich sein, enthalte allerdings nicht die Informationen, die durch einen Vermögensbericht geschuldet seien. Zwar seien in der Einnahmen-/Ausgabenrechnung die Kontostände der Gemeinschaft angegeben. An einer Aufstellung weiterer Forderungen, insbesondere der Forderungen gegenüber Wohnungseigentümern oder Dritten, fehle es aber. Ebenfalls fehlten Angaben zu sonstigen Vermögensgegenständen, über welche die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfüge. Forderungen, welche gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht worden und noch nicht bezahlt seien, fänden sich in der Aufstellung ebenfalls nicht.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall haben die Wohnungseigentümer der Verwaltung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch Beschluss Entlastung erteilt. Fraglich ist, ob der Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.
Entlastungs-Beschluss und Ordnungsmäßigkeit
Ein Entlastungs-Beschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltung absehbar sind. Er widerspricht ihr hingegen, wenn gegen die Verwaltung Ansprüche in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten. Eine Entlastung ist insbesondere ordnungswidrig, wenn der Verwalter eine fehlerhafte Jahresabrechnung oder einen mangelhaften Wirtschaftsplan vorgelegt hat und dadurch die Beschlüsse nach § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG mangelhaft sind, oder wenn ein tatsächliches Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß oder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Wohnungseigentümer darstellt. Im Fall liegt es so, weil kein Vermögensbericht vorliegt.
Vermögensbericht: Inhalt
Der Vermögensbericht muss den Stand der Erhaltungsrücklage und etwaiger durch Beschluss vorgesehener Rücklagen enthalten. Im Übrigen ist die Entwicklung der Rücklagen darzustellen. "Entwicklung" meint eine Angabe sämtlicher Einnahmen und sämtlicher Ausgaben und ihrer tatsächlichen Zwecke. Der Vermögensbericht muss ferner das wesentliche Gemeinschaftsvermögen benennen.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Der Vermögensbericht soll die Wohnungseigentümer in die Lage versetzen, ein möglichst genaues Bild über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu erhalten. Mindestinhalt des Berichts ist eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens, wozu Forderungen der Gemeinschaft, die Verbindlichkeiten der Gemeinschaft und die wesentlichen Vermögenswerte gehören. Der Bericht ist in einer Art und Weise zu gestalten, dass einem durchschnittlichen Wohnungseigentümer ohne Zuhilfenahme fachlicher Hilfe ein Verständnis möglich ist.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 9.11.2023, 2-13 S 3/23